"Demokratiepaket" inklusive Wahlalter-Senkung mit den Stimmen von SPÖ und Grünen angenommen - FP-Kabas: "Ein schwarzer Freitag" - Mit Kommentar
Redaktion
,
Wien - Im Wiener Landtag ist am Freitag mit den Stimmen der
SPÖ und der Grünen das - durchaus umstrittene - "Demokratiepaket"
beschlossen worden. In dessen Mittelpunkt steht das Wahlrecht für
Ausländer: Für Nicht-EU-Bürger, die seit fünf Jahren in Wien ihren
Hauptwohnsitz haben, wird das aktive und passive Wahlrecht auf
Bezirksebene eingeführt. Ebenfalls enthalten ist die Senkung des
Wahlalters auf Landtags-, Gemeinderats- und Bezirksebene auf 16 Jahre
sowie die Einführung einer zweiten Vorzugsstimme auf der Landesliste.
Über 100.000 zusätzliche Stimmen möglich
Durch die Änderung wird sich die Anzahl der Stimmberechtigten in
Wien erhöhen: Zu den 1,121.767 bei den Bezirksvertretungswahlen im
Vorjahr wahlberechtigten Österreichern und EU-Bürgern kommen nach
derzeitigem Stand rund 100.000 Ausländer über 16 Jahren hinzu.
Zusätzlich dürfen rund 38.000 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren
erstmals auf allen Wiener Ebenen ihre Stimme abgeben. Die nächste
Wiener Wahl steht laut Plan für 2006 auf dem Programm.
SPÖ: "Verdammt ernst"
Die SPÖ war voll des Lobes für den Entwurf: SP-Klubobmann
Christian Oxonitsch betonte, seiner Partei sei es "verdammt ernst"
mit einem Mehr an Demokratie in Wien. Angesichts des wachsenden
Bedürfnisses der Menschen, über ihr Leben zu bestimmen, dürften die
Einrichtungen der Demokratie nicht unverändert bleiben. Beim
Ausländerwahlrecht nehme Wien nun eine Vorreiterrolle innerhalb
Österreichs ein und folge gleichzeitig erfolgreichen internationalen
Beispielen.
Kabas: "Schwarzer Freitag"
Der Chef der Wiener Freiheitlichen, Hilmar Kabas, stieß sich
zunächst am Begriff "Demokratiepaket". Dies sei ein
Etikettenschwindel. Die geplante Regelung zum Ausländerwahlrecht
widerspreche den Grundprinzipien der österreichischen Verfassung und
der Integration. Es sein "ein schwarzer Freitag". Kabas beantragte eine Volksabstimmung, die aber von
allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Die Regelung zur Senkung
des Wahlalters ist laut Kabas hingegen "gelungen" - hier sowie bei
der Vorzugsstimmen-Regelung erfolgte eine Zustimmung der FPÖ.
ÖVP lehnt alles ab
Umfassender war die Ablehnung durch die ÖVP. "Diese
Gesetzesänderung ist ein sozialdemokratischer Willkürakt",
kritisierte Integrationssprecher Wolfgang Ulm. Die geplante Regelung
zum Ausländerwahlreicht ist laut Ulm "unsachlich, widersprüchlich,
verfassungswidrig und ohne ernsthafte Einbindung der Opposition"
erfolgt. Die Regelung schaffe "Bezirksräte zweiter Klasse", weil
gewählte Zuwanderer weder Bezirksvorsteher, Vorsteher-Stellvertreter
oder Bauausschuss-Mitglieder werden dürfen.
Zustimmung, aber keine zügellose Freude bei den Grünen
Die Grünen stimmten dem "Demokratiepaket" in zweiter Lesung zu und
zeigten sich durchaus zufrieden über den Entwurf. Die nicht
amtsführende Stadträtin Maria Vassilakou wollte sich aber nicht allzu
euphorisch geben: "Jetzt könnte ich mich hier zügellos freuen, aber
es gelingt mir nicht, die Freude ist getrübt." Kritik übte sie an der
Fünf-Jahres-Frist. Diesen Zeitraum müssen sich Drittstaats-Angehörige
in Wien aufgehalten haben, bevor sie das Wahlrecht erhalten. Sie
verlangte die Abschaffung dieser Frist - oder zumindest eine
Änderung, wonach ein Aufenthalt im Bundesgebiet ausreiche.
Dass bei den Grünen die Freude überwiegt, machten sie nach
erfolgter Abstimmung mittels einer Kurz-Kundgebung deutlich. Sie
hielten ein Plakat in die Höhe auf dem zu lesen war: "Wien ist unsere
Wahl - Vielfalt braucht gleiche Rechte."
Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) begrüßte via Kathpress die
Neuregelung des Ausländerwahlrechts. KAÖ-Präsident Christian Friesl
sprach von einem sinnvollen Beitrag zur Integration von Zuwanderern:
"Wer mitbestimmen darf, interessiert und engagiert sich meist auch
mehr für ein Gemeinwesen." Friesl sprach sich dafür aus, dass auch
andere Bundesländer dem Beispiel des Wiener Landtages folgen und
politische Mitsprache von Ausländern auf kommunaler Ebene ermöglichen
sollten. (APA)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.