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Lächeln trotz Tragödien-Schwerpunkt: Luc Bondy

Foto: Reuters/Bader

Das Theatersystem ist krank. Es leide an der "Interpretatorix-Krankheit", diagnostizierte Intendant Luc Bondy. Das gesamte Subventionsgefüge lebe von Neuinterpretationen bekannter Stücke bekannter Autoren. Zum Zeitpunkt der Diagnose war die diesjährige Pressekonferenz der Wiener Festwochen bereits im fortgeschrittenen Stadium, der Kipferl-Berg im Café Museum abgetragen und eben die junge Schiene des Schauspiels, das forumfestwochenff, vorgestellt worden.

Das Forum, dessen innovativen Geist Bondy dem interpretativen Trott des Theaters entgegenhielt, verschreibt sich 2003 dem Thema "Neue Helden" - und offeriert unter anderem mit Heidi Hoh 3 die lange erwartete Erstpräsentation des deutschen Regisseurs René Pollesch in Österreich.

Konservativere Theaterfreunde aber dürfen gleichfalls beruhigt sein. Es gibt sie noch, die guten alten Dramen. Ein um eine halbe Stunde jüngerer Luc Bondy hatte für "Vertrauen in alte Texte" geworben - und für den Antike-Schwerpunkt der kommenden Festwochen: Klaus Michael Grüber wird den Sophokleischen Ödipus in Kolonos in der Neuübertragung von Peter Handke inszenieren (mit Bruno Ganz; Ausstattung Anselm Kiefer), Patrice Chéreau die Racinesche Phèdre (die - Interpretatorix! - erst vor wenigen Jahren in Bondys eigener Version bei den Festwochen zu sehen war), und die Antwerpener Gruppe Tg STAN will mit 2 Antigone die Textversionen von Jean Cocteau und Jean Anouilh einander gegenüberstellen.

31 Produktionen aus 13 Ländern

Ob also neu oder alt: Mit den insgesamt 31 Produktionen aus 13 Ländern, die die Festwochen vom 9. Mai bis 16. Juni 2003 in Wien präsentieren werden, ist die Auswahl groß. Höhepunkte garantieren Christoph Marthalers umjubelte Inszenierung von Franz Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin und eine neue Arbeit Frank Castorfs, deren Text noch nicht feststeht.

Das Musiktheater unter Hans Landesmann bietet mit der Barockoper La Calisto in der Inszenierung von Herbert Wernicke eine Hommage an den unlängst verstorbenen Regisseur. Helmut Lachenmanns Das Mädchen mit den Schwefelhölzern zieht in Koproduktion mit der Neuen Oper Wien in den Gasometer ein und eine Neuproduktion von Peter Konwitschnys Grazer Aida präsentiert den Regisseur erstmals in Wien.

Zwei Uraufführungen gibt es zudem: Massacre, Musiktheater von Wolfgang Mitterer, eine Kooperation mit der Wiener Taschenoper - und als herbstliche Festwochen-Nachhut wird Luc Bondy am 14. September im Akademietheater Peter Handkes Untertagblues inszenieren, mit Gert Voss als U-Bahn-fahrendem Verbalrandalierer. (cia, DER STANDARD, Printausgabe vom 14./15.12.2002)