Leitl im STANDARD-<b>Interview</b>: Minderheitsregierung besser als "Stillstand"
Der Wirtschaftskammerchef will keinen "faulen Kompromiss"
Redaktion
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Keine Angst vor einer ÖVP- Minderheitsregierung hat Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl. Er fände sie jedenfalls sinnvoller als einen "faulen Kompromiss". Im Gespräch mit Martina Salomon äußert er lobende Worte für Alfred Gusenbauer.
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STANDARD:
Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?
Leitl:
Ich gehe davon aus, dass die für 2004 in Aussicht gestellte Lohnnebenkostensenkung verwirklicht wird.
STANDARD:
Und nächstes Jahr?
Leitl:
Geringere Besteuerung nicht entnommener Gewinne.
STANDARD:
Welche Koalition könnte das am besten?
Leitl:
Um die Probleme: Übermaß an Bürokratie, Sicherung des Pensions- und Reform des Gesundheitswesens zu lösen, wäre eine breite Mehrheit nützlich. Wenn man bereit ist, sie für couragierte Reformen einzusetzen.
STANDARD:
Sind die SP-Gewerkschafter reformbereit?
Leitl:
Eine Übereinstimmung ist durchaus denkbar. Wir könnten eine internationale Pionierrolle bei der Problemlösung bekommen.
STANDARD:
Aber die letzte große Koalition war dafür nicht gerade ein ermutigendes Beispiel.
Leitl:
Nein, um Gottes willen, das war abschreckend. Sollte man 1999 fortsetzen wollen, dann bin ich der Erste, der aus der Szene flüchtet!
STANDARD:
Woher nehmen Sie dann den Optimismus, dass sich die SPÖ gewandelt hat?
Leitl:
Alfred Gusenbauer hat intellektuelle Kapazität, internationalen Bezug und weiß, worum es geht. Ob aber die gesamte Partei Erneuerungskraft aufbringt, kann man heute noch nicht sagen.
STANDARD:
Hätte es die ÖVP nicht mit der FPÖ leichter, weil sie es derzeit billiger gibt?
Leitl:
Es geht nicht darum, wer es am billigsten, sondern wer es am besten gibt. In Konsequenz aus Ihrem Gedanken wäre eine Minderheitsregierung am besten, weil eine Partei klare Verantwortung hat.
STANDARD:
So etwas würde Sie nicht schrecken?
Leitl:
Sie wäre mir lieber als irgendein fauler Kompromiss oder ein Stillstand im Land.
STANDARD:
Wäre ein Mehrheitswahlrecht gut, wo der Sieger nicht mühsam einen Koalitionspartner suchen muss?
Leitl:
Das sollte man diskutieren. Die Frage ist: Wie kann man klare Verantwortung schaffen, ohne Minderheiten verschwinden zu lassen?
STANDARD:
Sollte die ÖVP noch warten, bis sichtbar wird, ob sich die FPÖ stabilisiert?
Leitl:
Nein. Wir sind kein Sanatorium für angeschlagene Parteien.
STANDARD:
Klingt nicht so, als wären Sie ein Fan von Schwarz-Blau?
Leitl:
Vergessen Sie nicht: So erdrückend optisch die Mehrheit der großen Koalition wäre, so wackelig ist die Mehrheit jeder kleinen Variante. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.12.2002)
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