Caracas - Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hat
den Appell der USA, angesichts der angespannten Lage vorgezogene
Neuwahlen zuzulassen, zurückgewiesen. Dies sehe die Verfassung seines
Landes nicht vor, sagte Chávez am Freitag (Ortszeit) im
spanischsprachigen Programm des Nachrichtensenders CNN. Er glaube
nicht, dass Washington Venezuela zum Verfassungsbruch auffordern
wolle.
Die US-Regierung hatte sich zuvor angesichts der zunehmend
gespannten Lage in dem südamerikanischen Land für Neuwahlen
ausgesprochen. Die USA seien "tief beunruhigt" über die Situation,
sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, in Washington.
"Etwa 48 Stunden"
Nach Angaben eines Streikführers beim staatlichen Erdölriesen
PDVSA waren die venezolanischen Erdölvorräte fast aufgebraucht. Die
Bestände würden für den Binnenmarkt nur noch "etwa 48 Stunden"
reichen, sagte Juan Fernández. Raffinerien und Tanker seien "völlig
lahm gelegt". Er widersprach damit dem PDVSA-Präsidenten Ali
Rodríguez. Dieser hatte am Donnerstag gesagt, die Vorräte würden noch
"lange" reichen. Notfalls werde Erdöl importiert.
Die venezolanische Opposition rief für Samstag zu einem neuen
Massenprotest in der Hauptstadt auf. Die Kundgebung unter dem Motto
"Die Eroberung von Caracas" solle die größte Demonstration werden,
die Südamerika je gesehen habe, sagte Gewerkschaftsführer Carlos
Ortega. Sechs Demonstrationszüge sollten aus verschiedenen Ecken der
Stadt zur Plaza de Altamira führen, wo am 6. Dezember drei
Oppositionelle erschossen worden waren.
Die Katholische Kirche warnte unterdessen vor einer "nationalen
Tragödie". "Noch ist Zeit, diesen tragischen Bruch der Gesellschaft
zu verhindern", erklärte die Bischofskonferenz. "Es ist absolut
notwendig, nach friedlichen und demokratischen Lösungen zu suchen."
Venezuela, fünftgrößter Ölexporteur der Welt, führt üblicherweise
2,7 Millionen Barrel Öl pro Tag aus. Die USA beziehen etwa ein
Siebtel ihrer Ölimporte aus Venezuela. Die von weiten Teilen der
Gesellschaft getragene Opposition will mit ihren Streikaktionen, die
am Freitag den zwölften Tag in Folge andauerten, den Rücktritt des
Präsidenten erreichen. (APA)