Der Rücktritt des früheren Sicherheitsberaters und US-Außenministers Henry Kissinger von der Untersuchungskommission zum Versagen der Geheimdienste vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 kam als herbe Enttäuschung für George W. Bush: Obwohl der Präsident von Anbeginn den Sinn einer solchen Kommission anzweifelte, hatte er sich von Kissinger ein gewisses Prestige, insbesondere aber Glaubwürdigkeit erhofft - in Wahrheit war jedoch das Gegenteil der Fall. Nicht nur Demokraten kritisierten Kissinger, sondern auch Angehörige der Opfer von 9/11.Neue Macht Kissingers Konsulentenfirma, so die Kritik, agiert als Berater von wichtigen Unternehmen in der ganzen Welt, was in einzelnen Fällen Interessenkonflikte hervorrufen könnte, insbesondere, da Kissinger die Namen seiner Klienten nicht preisgeben wollte. Dazu käme, dass Kissinger allzu eng mit republikanischen Regierungen der vergangenen Jahrzehnte verbunden gewesen sei. Das Beispiel Kissinger zeigt dabei, wie groß mittlerweile die politische Macht geworden ist, die verschiedene Gruppen von Angehörigen der Opfer des Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon hinter den Kulissen in Washington ausüben. Stephen Push von "Families of September 11th" fand Kissingers Rücktritt jedenfalls "rätselhaft": In einem Zusammentreffen habe Kissinger Vertretern der Gruppen versichert, er habe keinerlei Interessenkonflikte. "Aber anscheinend nimmt er die Gelegenheit, seinem Land zu dienen, nicht wahr, damit seine Klienten anonym bleiben können." Bereits Mittwoch war der von den Demokraten für die zehnköpfige Kommission nominierte frühere Senator George Mitchell zurückgetreten - er wollte seine Anwaltspraxis nicht aufgeben. An seiner Stelle setzten die Demokraten den versierten Außenpolitiker und ehemaligen Kongressabgeordneten Lee Hamilton ein, dessen Ernennung allseits begrüßt wurde. Im Weißen Haus sucht man nun fieberhaft nach einem Nachfolger für Kissinger, damit die Kommission endlich ihre Arbeit beginnen kann. Aufgabe der Kommission ist es, das klägliche Scheitern der US-Geheimdienste vor den Terroranschlägen im vergangenen September zu untersuchen, um weiteren Attacken vorbeugen zu können. Laut einem Sprecher des FBI habe die US-Bundespolizei jedoch seit dem 11. September 2001 ganze Arbeit geleistet: Nahezu 100 geplante Terroranschläge seien aufgedeckt und verhindert worden, wobei der Großteil der geplanten Angriffe außerhalb der USA vorbereitet worden sei. (DERSTANDARD, Printausgabe, 16.12.2002)