Wien - Der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus
hat diese Woche vier Entschädigungsanträge von Wehrmachtsdeserteuren
und NS-Kriegsdienstverweigerern positiv beschieden. "In der letzten
Zeit ist das Verständnis für Deserteure gewachsen", erklärte Heinz
Fischer, der als Nationalratspräsident dem Komitee des Fonds
vorsteht. Bei der letzten Sitzung unter dem Vorsitz Fischers wurden
die Ansuchen von insgesamt 100 NS-Opfern behandelt. Als zweiter
Nationalratspräsident würde Fischer auch künftig dem Gremium
angehören.
Offenbar gibt es im Nationalfonds eine Tendenz zur häufigeren
Anerkennung von Deserteuren als Opfer des Nationalsozialismus. Die
Arbeiten der Historikerkommission und Gutachten des
Politikwissenschafters Walter Manoschek hätten "das Verständnis
dafür, was eine Desertion aus der Wehrmacht bedeutete" verbessert, so
Fischer. Deserteure seien mit harten Strafen bis hin zur
Todesstrafe verfolgt worden. Entscheidend ist aber nach wie vor eine
Überprüfung der Motive und Umstände im Einzelfall. So wurde in der
Sitzung der Fall eines Deserteurs nicht positiv entschieden. Fischer
will sich die Hintergründe dazu aber noch einmal anschauen.
Positive Reaktion
Auch die Entwicklung in Deutschland, wo Wehrmachtsdeserteure
dieses Jahr pauschal rehabilitiert wurden, sei ausschlaggebend für
die Tendenz im Nationalfonds, Entschädigungen für Deserteure zu
gewähren, so Fischer. In Österreich gab es diese Rehabilitierung
bisher nicht.
Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Sprecher des Komitees
"Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" begrüßte die "positive Entwicklung" im Nationalfonds. "Wir sind
erfreut und hoffen, dass der Nationalrat das Thema im nächsten Jahr
endlich erledigt". Das Komitee fordert eine ähnliche Lösung wie in
Deutschland, nämlich die pauschale juridische Rehabilitierung von
Wehrmachtsdeserteuren, Kriegsdienstverweigerern und anderen Opfern
der NS-Militärjustiz. Die Opfer sollen außerdem in das
Entschädigungsrecht aufgenommen werden.(APA)