Bild nicht mehr verfügbar.

NATO-Generalsekretär George Robertson und der EU-Beauftragte für Außenpolitik Xavier Solana bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Brüssel.

Foto: REUTERS/Thierry Roge

Brüssel - Die EU-Verteidigungspolitik nimmt endlich konkrete Gestalt an. Nachdem die EU beim Kopenhagener Gipfeltreffen am Wochenende letzte Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, sollte am Montag Nachmittag die künftige "strategische Partnerschaft" mit einer gemeinsame Erklärung der NATO und des Sicherheits- und Verteidigungspolitischen Ausschusses der EU im Brüsseler Hauptquartier des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses besiegelt werden. Die EU wird damit nach einiger Verzögerung in die Lage versetzt, die NATO-Mission in Mazedonien im kommenden Frühjahr zu übernehmen. Sie will aber noch weiter gehen und hat die viel anspruchsvollere Ablösung der SFOR-Truppen in Bosnien angeboten.

In den Schlussfolgerungen des Kopenhagener EU-Gipfels erklären sich die Fünfzehn ausdrücklich bereit, die Führung bei einer militärischen Operation in Bosnien zu übernehmen. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, wurde beauftragt, mit dem kommenden griechischen EU-Vorsitz, dem Bosnien-Sonderbeauftragten Lord Ashdown und der NATO entsprechende Konsultationen aufzunehmen und dem EU-Ministerrat im Februar Bericht zu erstatten.

Derzeit stehen die rund 17.000 Mann in Bosnien unter UNO-Mandat und Führung der NATO. Ihre Zahl soll demnächst auf 12.000 Mann verringert werden. Die USA haben derzeit noch das größte Einzelkontingent in dem Balkanland stationiert. Aufgabe der multinationalen SFOR-Truppen ist die Einhaltung des Friedensabkommens von Dayton zu überwachen. In Mazedonien musste die NATO ihre Mission "Amber Fox", die jetzt "Allied Harmony", heißt, Mitte Dezember vorerst verlängern. Das Abkommen mit der EU war noch nicht abgeschlossen. Im Februar soll aber geprüft werden, ob und wann die EU an Stelle der NATO treten kann. In Mazedonien waren bisher 700 Soldaten stationiert, in einer künftigen Mission sollen es 450 sein.

Die schnelle Eingreiftruppe von 60.000 Mann soll bis Mitte 2003 einsatzbereit sein. In Bosnien wird die EU bereits am 1. Jänner das UNO-Polizeikorps mit 500 Mann ablösen.

Rücksicht auf griechische und türkische Sorgen

Die gemeinsame Erklärung von EU und NATO über die Europäische Verteidigungspolitik (ESVP) bekräftigt, dass eine größere Rolle Europas die Rolle der Allianz im Bereich des Krisenmanagements stärken werde. Beschlüsse sollen auf dem Grundsatz der "Gleichberechtigung und der eigenständigen Entscheidungsfindung" beider Seiten fußen.

Ausdrücklich unterstrichen wurde die Achtung der UNO-Charta als unerlässliche Grundlage für ein "stabiles Sicherheitsumfeld der euro-atlantischen Partnerschaft". Auf Betreiben Griechenlands wurde laut EU-Ratskreisen in diesem Zusammenhang festgehalten, kein Land dürfe ein anderes "einschüchtern", ihm mit der "Anwendung von Gewalt" oder mit einseitigen Aktionen drohen beziehungsweise einseitig gegen es vorgehen. Griechenland hatte vor dem Hintergrund der territorialen Streitigkeiten mit dem "Erzfeind" Türkei in den vergangenen zwei Jahren immer wieder eine Garantie der NATO verlangt, dass kein EU-Land von einem NATO-Partner angegriffen werde.

Auch auf die Sorgen der Türkei, als Nicht-EU-Mitglied von der Planung und Entscheidung militärischer Kriseneinsätze der EU ausgeschlossen zu werden, ging die Erklärung ein. Die EU sichert darin Nicht-EU-Mitgliedern in der NATO "die weitestgehend mögliche Einbindung" in die europäische Verteidigungspolitik zu.

NATO zurückhaltend

Die NATO hat sich zurückhaltend gegenüber dem neuen Vorhaben der EU gezeigt, das Kommando über die Friedenstruppe SFOR in Bosnien-Herzegowina zu übernehmen. "Das ist ein sehr komplizierter Einsatz", sagte NATO-Generalsekretär George Robertson am Montag in Brüssel. Es müssten erst noch Details untersucht werden. Die EU hatte beim Kopenhagener Gipfeltreffen am Wochenende erstmals ihre Bereitschaft zur Führungsübernahme in Bosnien bekundet.

Der NATO-Rat hatte bereits Ende vergangener Woche - parallel zum EU-Gipfel in Kopenhagen - die Grundsatzentscheidung für das Abkommen getroffen. Damit stehen die Planungsstäbe der Allianz mit sofortiger Wirkung für EU-geführte Militäreinsätze zur Verfügung. Spannungen zwischen dem NATO- und EU-Mitglied Griechenland und der Türkei, die nur der NATO angehört, hatten den Abschluss des Abkommens über Jahre verzögert. (APA)