Berlin - Auch fast 60 Jahre nach dem Holocaust sind Vorbehalte gegen Juden in Deutschland weit verbereitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest, die das American Jewish Committee am Montag in Berlin vorstellte. Demnach äußerten 52 Prozent der Befragten die Einschätzung, dass die Juden die Erinnerung an den Holocaust zu ihren eigenen Vorteil ausnutzen; 40 Prozent meinten, dass die Juden einen zu großen Einfluss auf das Weltgeschehen ausüben. Zugleich vertraten jedoch 72 Prozent die Auffassung, das Wissen um die Vernichtung der Juden durch die Nazis sei für die Deutschen "außerordentlich wichtig" oder "sehr wichtig".

Der Umfrage im Auftrag des American Jewish Committees zufolge betrachten 60 Prozent der Deutschen den Antisemitismus in ihrem Land als ein Problem; ein knappes Drittel gab dagegen an, Antisemitismus stelle überhaupt kein Problem dar. 20 Prozent äußerten die Auffassung, Juden hätten zu viel Einfluss in der deutschen Gesellschaft; 35 Prozent teilten zudem die Ansicht, dass Rache und Vergeltung im Handeln von Juden eine größere Rolle spielten als bei anderen Menschen.

Die Umfrage unter 1250 Deutschen ab 14 Jahren ließ nach Angaben des American Jewish Committees jedoch auch erkennen, dass eine Mehrzahl der Deutschen das Gedenken an die von den Nationalsozialisten ermordeten sechs Millionen Juden wach halten wollen. So bejahten 59 Prozent der Deutschen die Aussage, dass die Erinnerung an den Judenmord der Nazis weiterhin gepflegt werden müsse; 29 Prozent widersprachen dieser Auffassung.

Der Umfrage zufolge äußern sich ältere Menschen häufiger ablehnend gegenüber Juden und anderen Minderheiten als junge Befragte. Zudem wurden demnach die Ressentiments in der Regel schwächer, je höher das Bildungsniveau der Befragten war. Außerdem zeigten Ostdeutsche den Angaben zufolge deutlich weniger negative Einstellungen gegenüber Juden als Westdeutsche. (APA)