Sie halten sich auch noch für berufen, Gastkommentare zu schreiben. Und was früher nicht möglich gewesen wäre - in Zeiten wie diesen bringen sie es zum Chefredakteur des ORF-Fernsehens und führen den Spagat vor, die Dominanz einer Partei auf und hinter dem Schirm gleichzeitig repräsentieren und verschleiern zu müssen. Also tat Werner Mück im "profil" einen tiefen Griff in die Kiste, in der etwa auch "Zur Zeit" mit Vorliebe nach geistigen Waffen kramt, wenn es gegen Kritik im Allgemeinen und den STANDARD im Besonderen geht. Genau genommen ging es nicht einmal gegen den STANDARD, sondern gegen die hier abgedruckte Mediawatch. Aber schon diese regelmäßige Information für Leser rechtfertigte die originalitätstriefende Ortsangabe: im lachsrosa Zentralorgan der Kaffeehauslinken. Ohne nun in das von Mück beklagte Laster verfallen zu wollen, ORF-Mitarbeiter/-innen bis hinauf zur Generaldirektorin tatsachenwidrig und leichtfertig parteipolitisch zuzuordnen, kann dieser Einordnung des STANDARD weniger das Objektivitätsgebot des ORF zugrunde liegen, eher ein im schwarz-blauen Dunstkreis gehätscheltes Vorurteil. Trotzdem gut, von Mück die Fernsehwelt erklärt zu bekommen. Nicht jede einer Partei gewidmete Sekunde im ORF nütze ihr auch, teilt er dem Publikum etwas mit, auf das es von selber niemals gekommen wäre. Stimmt ja - manches lief im Wahlkampf falsch, was nicht einmal der ORF unter einschlägigem Erwartungsdruck zurechtrücken konnte, etwa wenn der Kärntner Landeshauptmann den arglistigen Königsmörder Joseph Fouché in der Chefredaktion der TV-Information wähnte. Aber nicht jeder Versuch des Kärntner Landeshauptmannes, wenn schon nicht den Talenten, so doch dem Esprit des ORF-Chefredakteurs zu schmeicheln, ist automatisch ein Beweis für die Ausgewogenheit der ORF-Berichterstattung. Der alte Irrglaube, wonach allein die Zahl der TV-Auftritte zähle, wurde wiederbelebt. Vom STANDARD gewiss nicht. Vergessen die schmerzhafte Erfahrung Viktor Klimas, dass eine Minute im Fernsehen eine entlarvende Ewigkeit dauern kann - besser lässt sich die gemeine Behauptung, Mück habe im Wahlkampf "Schwarzfunk" betrieben, einfach nicht widerlegen. Vergessen auch, dass nichts unbestechlicher ist als das kalte Glasauge einer TV-Kamera und dass es verdammt schwer ist, der Beste zu sein, wenn man eine Stunde lang einem Naturereignis namens "Elmar der Bär" ausgeliefert ist. Wenn er schon an die Unbestechlichkeit des kalten Glasauges einer TV-Kamera glaubt, wäre der Joseph Fouché vom Küniglberg gut beraten, künftig lieber nicht mehr vor ein solches hinzutreten. Aber vielleicht verstellt er sich nur, gekonnt wie Fouché in seinen besten Jahren, und ahnt ohnehin, dass die Blickrichtung des kalten Glasauges von Mächten gelenkt wird, bei denen man sich gelegentlich schwer tut, sie nicht leichtfertig parteipolitisch zuzuordnen. Ob er sich wieder nur Fouché-mäßig verstellt, wenn er einen Kulturfrevel als Naturereignis preist und es als Ruhmesblatt des Lindner-ORF ausgibt, dass ein Phänomen namens "Elmar der Bär" statt mit Helmut Pechlaner mit Politikern auf dem Schirm erscheinen muss? Nähme Mück das ernst, dann wäre es verdammt schwer, dies anders denn als Beleidigung von Moderatoren früherer Wahlkampfdiskussionen aufzufassen. Noch nie ist die TV-Information derart unbehelligt und weisungsfrei ans Werk gegangen, schwelgt Mück im Glück. Wenn es in den nächsten Wochen um die Regierungsbildung geht, wird es an Gelegenheiten nicht fehlen, diesen Glauben zu erhärten, insbesondere beim Spiel: Nur Schulterschlussverweigerer lechzen nicht nach einer Koalition mit der ÖVP. Da könnte sich ein ORF-Chefredakteur ein Beispiel an Günther Nenning nehmen, der in der "Presse" derart unbehelligt und weisungsfrei ans Werk des "Krone"-Herausgebers ging, dass sich die Losung Schwarz und Rot, schluck die Krot! wie von selbst ergab. Die Referenzperson für diese Amphibienkoalition fand Nenning in Ernst Rüdiger Starhemberg. Starhemberg hat . . . die paramilitärische "Heimwehr" aufgebaut, ausgerüstet, angeführt. Der Fürst und seine Truppen waren ohne Schwanken gegen die Roten . . . Der Fürst war überzeugter Antidemokrat und Bewunderer Mussolinis . . . Starhemberg kämpfte im Bürgerkrieg des Februar 1934 an vorderster Front gegen die Roten. Daher ganz klar: Seine große Liebe gilt Österreich, als selbständige Nation, frei von deutscher Fuchtel. Nach der Ermordung von Dollfuß durch die Nazis wollte er ein Bündnis aller Christlichsozialen und aller Heimwehrler mit den Sozialdemokraten als Rettung vor Hitler.

Hitler ist ja angeblich tot, aber der Rest überzeugt. Sollten sich die Roten nach dieser Argumentation Wolfgang Schüssel noch immer verweigern und die Krot nicht schlucken, wären sie selbst schuld, wenn sie im ORF zu hören bekommen, welch schlechte Patrioten sie sind. (DER STANDARD, Printausgabe vom 17.12.2002)