Wien/Garsten - Manchmal geht die Sache schief. Dann stehen verblüffte Polizisten irgendwo im Nirgendwo in einer verlassenen Halle, und können sich mit ein paar Hundertschaften tanzwütiger Jugendlicher herumschlagen. Wobei "herumschlagen" nicht wörtlich zu verstehen ist.

Tags darauf liest sich das im offiziellen Polizei-Bulletin so: "Am 15.12.2002, gegen 08.35 Uhr, wurden Einsatzkräfte nach Wien 2 ... in eine aufgelassene Fabrikshalle wegen einer illegalen Raveparty entsandt. An der Örtlichkeit konnten ca. 200 bis 300 Personen wahrgenommen werden, die Getränke konsumierten und zur Musik tanzten."

Wie es in der Natur einer illegalen Veranstaltung liegt, konnte niemand behördliche Anmeldungen oder ähnliches vorweisen. Den Sicherheitskräften blieb nur eines: "Wegen Gefahr im Verzuge wurde ... mittels Mandatsbescheid die Einstellung der Veranstaltung verfügt." Den Tänzern klang dies wohl zu sperrig: Weil sie "trotz mehrmaliger Aufforderung die Fabrikshalle nicht verlassen wollten, wurde ... eine Kette gebildet und die Raver ohne jegliche Gewaltanwendung ... abgedrängt."

Keine Spuren

Einzig "wie die Raver in die Fabrikshalle gelangten, konnte nicht eruiert werden; Spuren eines gewaltsamen Eindringens wurden nicht wahrgenommen." Die Polizei rätselt aber nicht erst seit Sonntagmorgen: Seit fast zehn Jahren gibt es illegale Raves - und trotz aller Versuche, das Treiben unter Kontrolle zu bringen, stehen die Behörden den phasenweise sogar wöchentlich stattfindenden Festen fast machtlos gegenüber.

Die Szene - durchwegs jugendliche Technofreaks - dürfte allein im Großraum Wien rund 500 hochmobile Raver umfassen, die sich nach dem Schneeballprinzip via SMS und Mails mit Informationen versorgen. Da gerade das Versteckspiel einen Großteil des Reizes - und des Selbstverständnisses - der "Illegalen" ausmacht, funktioniert das hermetische System ausgezeichnet: Wenn Partys auffliegen, dann meist, weil irgendeinem Landhausbesitzer das Gewummere aus dem Wald oder dorthin verschwindende Jugendliche in der sonst so ruhigen Einschicht nicht geheuer sind. Einmal in Hörweite, sind die Feste leicht - immer dem Krach nach - zu finden.

Organisation

Organisiert werden die Raves meist von Betreibern alternativer Soundsysteme. Manche dieser oft durch ganz Europa nomadisierenden Teams - etwa die Urväter der "Illegalen", die Gruppe "Spiral Tribe" - genießen Kultstatus. Auch mancher Hitparaden-Technoact beruft sich gerne auf "illegale" Wurzeln.

Für die Behörden ist der Umgang mit den Geheimtänzern oft schwierig: Was tut man mit bis zu 400 - oft minderjährigen - Jugendlichen mitten in der Nacht mitten im Wald? Mancher wählt da eine österreichische Lösung. So wie jene zwei niederösterreichischen Gendarmen, die einst in einer alten Fabrikshalle ratlos waren: "Wenn ihr versprecht, in der Früh aufzuräumen, als wäre nix passiert, gehen wir jetzt wieder."

Wickel in neuer Disco

Während die Geheimraver in der Regel friedlich sind, gibt es bei Großdiscos oft "handfeste" Probleme. So sorgt derzeit ein Lokal im oberösterreichischen Garsten für Kopfzerbrechen: Am Wochenende kam es zu einer Massenschläger mit einigen Verletzten. In der Woche davor verwüsteten Besucher einen benachbarten Adventmarkt, bei einer anderen Gelegenheit wurde mit Traktoren über die Liegewiesen des Freibades gebrettert. Über den Grund herrscht Rätselraten. (moe, rott, DER STANDARD Printausgabe 17.12.2002)