Wien - Im Menschenrechtsbeirat, der Vorzeigeorganisation des Innenministeriums in Sachen unabhängige Polizeikontrolle, gärt es. Drei Jahre nach Schaffung des Instrumentariums ist derzeit noch unklar, ob die mit Ende des Jahres befristeten Werkverträge mit den aktiven Kommissionen überhaupt verlängert werden. Auch intern stehen die Zeichen auf Sturm: wird der wegen falscher Vorwürfe gefeuerte Wiener Migrationsexperte Bülent Öztoplu nicht wieder in eine Kommission aufgenommen, könnten andere Mitglieder aus Protest zurücktreten.

Wie berichtet, war Öztoplu, im Hauptberuf Leiter des Jugendvereines Echo, im September 2001 völlig überraschend festgenommen worden - aufgrund eines deutschen Haftbefehls, der sich auf einen Vorfall vor 18 Jahren in Mannheim bezog. Unmittelbar danach wurde er aus der Beiratskommission gefeuert. "Gegen jede Unschuldsvermutung", so Öztoplus Anwalt Richard Soyer. Vom Vorwurf, er habe einen Polizisten attackiert, ist Öztoplu mittlerweile freigesprochen - Rehabilitation? "Der Menschenrechtsbeirat hat bis heute nicht reagiert", so Öztoplu enttäuscht.

Polizeiübergriffe

Auch das Schweigen des Beirates zu Polizeiübergriffen im Zuge seiner Verhaftung in Wien ärgert Öztoplu. Wie der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) feststellte, wurde er von Beamten, denen er zuvor immer wieder im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit auf die Finger geschaut hatte, beschimpft und erniedrigt. Öztoplu: "Bei seinen eigenen Mitarbeitern nimmt der Menschenrechtsbeirat anscheinend Menschenrechtsverletzungen einfach hin."

Der Vorsitzende des Menschenrechtsbeirates, der Verfassungsrichter Gerhart Holzinger, erklärte auf Anfrage des STANDARD, man müsse noch auf die schriftliche Ausfertigung des UVS-Bescheides warten. Denn gehe aus diesem hervor, dass die Übergriffe möglicherweise eine Retourkutsche der Polizei für Öztoplus Kontrolltätigkeit gewesen seien, wäre dies besonders drastisch.

Bei der nächsten Sitzung des Menschenrechtsbeirates werden entschieden, ob Öztoplu wieder in eine Kommission aufgenommen werden. Seine persönliche Meinung wollte Holzinger nicht kundtun: "Wir entscheiden das mehrheitlich im Beirat." Öztoplus Platz in der Wiener Kommission sei jedenfalls vakant gehalten worden.

480.000 Euro pro Jahr

Der Menschenrechtsbeirat im Innenministerium wurde 1999 nach Kritik des Europarates an Österreich eingerichtet. Letztendlich ausschlaggebend war der Erstickungstod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma. Dem Beirat gehören zwölf ehrenamtliche Mitglieder an. Augen und Ohren bilden sechs Kommissionen, dessen 36 Mitglieder Werkverträge mit dem Innenministerium haben - alles in allem 480.000 Euro pro Jahr.

Die Werkverträge laufen Ende des Jahres aus, alle Neuverhandlungen zwischen den Kommissionen und dem Ministerium sind bisher gescheitert. Grund: Innenminister Ernst Strasser (VP) will empfindliche Geldkürzungen durchziehen. Im Ressort wurde zuletzt mehrfach kritisiert, dass ein Kontrollor für seine Nebentätigkeit das Jahresgehalt eines Polizisten bezieht.

Völlig verschiedene Auffassungen gibt es auch noch über zeitlichen Rahmenbedingungen. Die Dauer der Werkverträge soll auf eineinhalb Jahre halbiert werden. Für die Kommissionen kommt das nicht infrage. Gibt es diese Woche kein Einigung, geht der Menschenrechtsbeirat "zahnlos" ins kommende Jahr. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 18.12.2002)