Wien - Mit dem "Entwurf einer Studie zur Reform der Förderung Freier Gruppen im Bereich der Darstellenden Kunst" kommt unerwartet Bewegung in die von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP) geleitete, bisher gegen Öffnungsversuche weit gehend resistent gebliebene Kulturbürokratie.

Wien kann sich seit dem nationalen Urnengang, der ein klares Ungleichgewicht zwischen städtischem und ländlichem Politikwollen zutage förderte, wiederum als liberal-urbane Kulturmetropole kostengünstig inszenieren. Denn das hauptstädtische Wahlergebnis lässt sich, bei aller gebotenen Vorsicht, wohl auch dahingehend interpretieren, dass urbane, kulturerzeugende Milieus sich mindestens in der Anbahnung hoheitlicher Entscheidungen künftig angemessen widergespiegelt sehen wollen.

Die Theatermanagerin Anna Thier, der Wissenschafter Günter Lackenbucher und der Süddeutsche-Journalist Uwe Mattheiß haben als Studienautoren bis März das Portefeuille erhalten, eine künstlerisch weit gehend abgestorbene Szene sozusagen auf dem Eingabeweg von den Toten aufzuerwecken. Nichts weniger als ein "neues Förderungsverfahren" soll die bisherige Vergabepraxis ersetzen, wobei an die (womöglich wertgesicherte) Erhaltung der anno 2001 mit 5,594.354,77 Euro ausgewiesenen Fördermillionen für Freie gedacht ist.

Die "Szene" bekommt, so Uwe Mattheiß, hinreichend Gelegenheit, sich ihrerseits zu deklarieren: Soll das derzeit praktizierte Beiratssystem, das sich laut Planpapier "eher bremsend auf die künstlerische Entwicklung einer Freien Szene ausgewirkt" habe, einem Modell der Kuratoren weichen - wobei bis heute nicht hinreichend geklärt erscheint, wer dann für die anfallenden Folgekosten aufkommt?

Oder ist die Gelegenheit tatsächlich günstig, und es werden neue Jury- oder Produzentenmodelle entwickelt, in welche die verpönte "Geschichte einer Mitbestimmung von unten" (Mattheiß) als Muster für Werthaltungen belebend einfließt?

Immer noch scheint es nicht weit her mit einer Festschreibung der guten alten Mitbestimmung, wenn sich alternative Theatermacher vor allem nach Streicheleinheiten durch die sie alimentierende Hand sehnen. Die lokale Bühnenlandschaft ist seit alters hierarchisch verfasst. Die szenischen Himmelsstürmer von gestern dienen sich zu wackeren Kleinintendanten hoch, die wie Duodez-Fürsten einer auslaugenden Routine frönen. Mit sehnsuchtsvollen Seufzern blicken sie aus der Kellerperspektive auf die Burg und die anderen Staatsbühnen, und ihre ehemals widersetzlichen Arbeitshypothesen sinken zu blassen Bestätigungen des Status quo herab.

Auch tradierte Mitbestimmungsmodelle sind nicht frei von jenen Spuren einer spezifisch österreichischen Servilität, die sich, auf gut josephinisch, Reformen nur als von oben verordnet vorstellen mag. Demgegenüber wollen sich die Studienmacher mit der "Territorialisierung" der Theaterkleinarbeit befassen; denn, so Mattheiß: "Es geht nicht an, dass ,Kellerkinder' bloß um eine sozialpartnerschaftliche Vertretung in den zuständigen Entscheidungsgremien betteln."

Für eine breite Akzeptanz der im März einlaufenden Vorschläge scheint jedenfalls gesorgt. Nicht nur haben die Kultursprecher der im Gemeinderat vertretenen Parteien ihr wohlwollendes Einverständnis signalisiert - sogar die IG Freie Theaterarbeit ist nach ersten Ausrufen des vorsorglichen Schreckens erst einmal verstummt.

Dass die Umgestaltung der Freien Szene die Mittelbühnen und Privattheater vorderhand ungeschoren lässt, sei bloßer Zufall. Mattheiß: "Irgendwo fängt man immer an!" Das Reformwerk soll die zusehends unfruchtbare Scheidung in Sprech-, Musik- und Tanztheater aufheben, und die - im Einzelnen manchmal sogar segensreichen - Eingriffe fördernder Beamte werden der Vergangenheit angehören.
(DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2002)