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Dass er überhaupt fahren durfte, war schon ein Sieg. Oswaldo Payá Sardinas, Kubas bekanntester Dissident, der am Dienstag im Europaparlament in Straßburg persönlich den diesjährigen "Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit" entgegen nahm, erlebte den vorläufigen Höhepunkt seiner langen Karriere als Regimegegner auf der Insel des Máximo líder. Entsprechend stolz war der 50-Jährige, den die Partei immer noch als Ingenieur zur Wartung elektronischer Geräte in Kubas Krankenhäusern arbeiten lässt: Er nehme den Preis "im Namen des kubanischen Volkes" an, um dessen Recht auf Selbstbestimmung es ihm gehe, sagte er.

Für die EU - und allen voran für die Franzosen, die Kuba allein schon aus Trotz gegen die USA und deren Embargo gegen die Insel bisher eher mit Samthandschuhen angefasst haben - ist die Einladung des Dissidenten auch eine Kurskorrektur. Payá ist dabei ganz nach dem Geschmack der Bürgerlich-Konservativen in Europa wie etwa Spaniens Ministerpräsident José María Aznar, der sich dafür einsetzte, dass Havanna den Dissidenten ziehen ließ: christlich erzogen und der katholischen Kirche seit Kindheitstagen verpflichtet, kein großer Ideologe, sondern einer, der in einfachen Worten Freiheit für den Einzelnen fordert.

"Varela-Projekt" - in Ehrung des kubanischen Unabhängigkeitshelden und katholischen Priesters Félix Varela - nannte Payá seinen jüngsten Vorstoß gegen die kommunistische Alleinherrschaft, der ihm nun den angesehenen Bürgerrechtspreis eingebracht hat. Seit 1998 sammelte der Vater von drei Kindern Unterschriften für eine Petition, die freie Wahlen forderte. Denn: Kubas Verfassung sieht vor, dass eine Petition, die mehr als 10.000 Stimmen erhält, im Parlament behandelt werden muss. Payás Petition unterschrieben 11.020 Kubaner.

Zur Parlamentsdebatte kam es dann nie - Fidel Castro ließ den Sozialismus per Verfassungsänderung vergangenen Sommer als "unwiderrufbar" erklären. Mit seinem Widerstand, der gewaltfrei ist, vor allem aber das Castro-Regime legal mit seinen eigenen Waffen schlagen will und einen konstitutionellen Übergang sucht, hat sich Payá in der kubanischen Exil- und Dissidentenszene über die Jahre nicht nur Freunde gemacht. Hardliner wie Marta Beatriz Roque, eine Wirtschaftswissenschafterin, die drei Jahre Haft verbüßte, weil sie Kubas Einparteiensystem offen infrage gestellt hatte, führen dabei das Ende von Payás "Varela-Projekt" als Beweis an: Legalistisch ließe sich das System eben nicht verändern.

Payá stammt aus einer Familie in Havanna, die sich von Anfang an gegen die kommunistische Revolution auflehnte. Bereits als 16-Jähriger wurde er für drei Jahre in ein Arbeitslager auf der Isla de Pinos gesteckt - nun hat er zumindest im Ausland Gehör. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2002)