Wien - Durch die im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte erfolgte strikte Trennung von Netz und Erzeugung könnten Blackouts auch in Österreich zur Norm werden. Aber nicht nur in der Problemregion Steiermark, die wie berichtet Leitungsengpässe hat, sondern auch in Ostösterreich.
Denn wenn es zu einer Unterversorgung in Südösterreich kommt, wird es im Osten Kurzschlüsse geben, da Strom aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten in Mangelgebiete fließt. "Das hat Rückwirkungen auf das gesam- te Versorgungsgebiet", sagte der scheidende Wiener Stadt- werke-Chef Karl Skyba.
In der liberalisierten Energiewelt sei kein Unternehmen mehr verpflichtet, die Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Energieunternehmen würden aber nur dann Sicherheitsreserven bereitstellen, wenn jemand für die Mehrkosten zur Erhaltung des Systems aufkommt. "Niemand kann gezwungen werden, Kraftwerke in Reserve zu halten oder in Betrieb zu nehmen", sagte Skyba. Solche Aufträge könne die Regulierungsbehörde natürlich erteilen, ohne an die Kostenrechnung denken zu müssen. Auch die Republik sei finanziell aus dem Schneider.
Illusion
Jedoch sei es eine Illusion, zu glauben, man könne stillgelegte Erzeugungsanlagen im Notfall rasch in Betrieb nehmen. "Manche sind überhaupt nicht mehr in Betrieb zu nehmen", weil dies technisch nicht mehr möglich sei. Bei anderen Anlagen müsse man die pensionierten Techniker reaktivieren, die die alten Betriebsysteme beherrschen, sagte der Generaldirektor der Stadtwerke.
Wenig Sinn sieht Skyba in dem von Stromregulator Walter Boltz für 2003 angekündigten Benchmarking bei der Versorgungssicherheit. Beim Vergleich der Ausfallzeiten sei Österreich mit weniger als einer Minute pro Jahr derzeit Europaspitze. "Wann immer so ein Vergleich angestellt wird, kann das nur zu einem Benchmarking nach unten werden", sagte Skyba. In Großbritannien würden die Ausfallzeiten bei 90 Minuten pro Jahr liegen, in Irland gar bei 360 Minuten, sprich: sechs Stunden.
Wahlmöglichkeit nicht gegeben
Wenn bei der Versorgung plötzliche Engpässe auftreten würden, könne man nicht auf das Netz zurückgreifen. Das europäische Höchstspannungsnetz (380-Kilovolt-Leitungen) sei einfach nicht auf den Transport großer Mengen ausgelegt worden. Daher habe man auch nicht die Wahlmöglichkeit, eine Region entweder durch eigene Kraftwerke oder durch Importe zu versorgen - diese Wahlmöglichkeit sei technisch einfach nicht gegeben.
Noch schwieriger sei es beim Gas, die Versorgung nach einer Störung rasch wieder herzustellen. Dafür brauche es viel Zeit und großen Aufwand. Skyba verweist auf einen Störfall vor einigen Monaten, als man bei einigen Tausend Kunden vor dem Durchlüften erst einmal jeden einzelnen Gashahn abdrehen musste. Ein Zusammen- brechen des Gasnetzes sei für die Privatkunden dramatischer als für die Industrie, die viel stärker von reibungsloser Versorgung mit Strom abhängig sei. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 18.12.2002)