Berlin - Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat dem Hartz-Konzept zur Arbeitsmarktreform in Deutschland zugestimmt. Das gab Arbeitsminister Wolfgang Clement am Dienstagabend nach der Sitzung bekannt. Allerdings erhielt nur der tags zuvor mit der Opposition ausgehandelte Kompromiss zu den Mini-Jobs auch die Stimmen der Union. Von ihm erhofft sich Clement mehr als 320.000 neue Beschäftigungsverhältnisse.

Für den Teil des Hartz-Pakets, der die Zeit- und Leiharbeit regelt, bekam die Regierung nur ihre eigene Mehrheit von SPD- und Grünen-Stimmen im Vermittlungsausschuss zu Stande. Diesem Teil will die Union auch bei der Abstimmung im Bundesrat kommenden Freitag nicht zustimmen, wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch betonte. Doch sagte Koch, die Abstimmung des Vermittlungsausschusses habe ein Zeichen gesetzt, dass der Bundesrat verhandlungsbereit sei. Clement lobte das Hartz-Konzept als "erhebliche Verbesserung für den Arbeitsmarkt".

Trotz der Einigung kritisierte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die geplante Arbeitsmarktreform als mutlos und nicht ausreichend. Dagegen wertete SPD-Generalsekretär Olaf Scholz die Vermittlungsergebnisse als "Durchbruch" auf dem Weg zur "tief greifendsten Arbeitsmarktreform" in Deutschland. Die Grünen zeigten sich "sehr zufrieden". Die FDP lehnte die Zugeständnisse der Regierung als unzureichend ab und will dem Reformpaket nicht zustimmen.

Der am Montagabend erreichte Kompromiss zur Ausweitung der Mini-Jobs war bereits bei Regierung, Wirtschaft und Union auf positives Echo gestoßen. Heftige Kritik kam jedoch von den Gewerkschaften. Die Krankenkassen warnten vor Einnahmeverlusten und einer Schwächung der Sozialkassen durch die Ausweitung. Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe) belasten die Mini-Jobs Staat und Sozialkassen mit gut einer Milliarde Euro zusätzlich. So sei mit 500 Millionen Euro Steuerausfällen und weiteren 500 Millionen Euro weniger bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu rechnen.

Vertreter von Koalition und Union hatten sich auf eine Ausweitung der Mini-Jobs von 325 auf 400 Euro geeinigt. Der Arbeitgeber zahlt bis zu dieser Grenze 25 Prozent Abgaben. Für den Arbeitnehmer fallen keine Abgaben an. Der Niedriglohnbereich soll bis 800 Euro ausgeweitet werden. Ein Großteil der Hartz-Regelungen soll am 1. Jänner 2003 in Kraft treten.

Der Teil, über den in den Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses keine Einigung erzielt wurde, betrifft Regelungen zur Leiharbeit. Vertreter von Rot-Grün bestanden auf einer grundsätzlich gleichen Bezahlung von Zeitarbeitern und regulär Beschäftigten. Die Union ist für Bezahlungsunterschiede.

Der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Spitzenverbände der Zeitarbeitsbranche verabredeten unterdessen Verhandlungen über einen einheitlichen Tarifvertrag. Der Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA), der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) sowie die Interessengemeinschaft Nordbayrischer Zeitarbeitsunternehmen (INZ) wollen am 16. Jänner eine Tarifgemeinschaft gründen, teilte BZA-Sprecher Jürgen Uhlemann mit. Am 30. Jänner werde es ein neues Gespräche mit dem DGB geben.

Vorbehaltlose Zustimmung kam am Dienstag aus Handel und Gastronomie. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) sprach dagegen von einem "faulen Kompromiss". Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) erwartet jetzt bis zu 320 000 neue Arbeitsplätze. Es sei ein Wendepunkt am Arbeitsmarkt erreicht worden. CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel sagte, mit dem Durchbruch hätten sich die Konzepte der Union durchgesetzt. Die Einigung hatten Regierung und Opposition am Montag ausgehandelt. (APA/AP/dpa)