London - Ein britisches Gericht hat nun grünes Licht für ein umstrittenes Behandlungsexperiment an zwei Jugendlichen gegeben, die sich im Endstadium der tödlichen neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJD) befinden. Wie das Fachblatt New Scientist berichtet, werden ein 15-jähriges Mädchen und ein 18-jähriger Bursch, die sich vermutlich durch BSE-verseuchtes Rindfleisch infiziert haben, die weltweit ersten Patienten sein, denen das Medikament "Pentosan Polyphosphat" direkt ins Gehirn gespritzt wird. Expertenmeinungen dazu gehen stark auseinander.

Wie berichtet, wird Pentosan derzeit gegen Blasenentzündungen eingesetzt. Studien haben gezeigt, dass die Substanz das Fortschreiten von Scrapie (eine ähnliche Krankheit wie BSE und vCJD, die hauptsächlich bei Schafen vorkommt) verzögern kann - zumindest bei Mäusen. Pentosan binde sich an krankmachende Eiweiße (Prionen) und hindere diese, gesunde Prionen in infektiöse umzuwandeln: Es hemme den tödlichen Kreislauf der Krankheit.

Im Oktober, als die Eltern der Kranken das Gericht um Therapieerlaubnis baten, befand die britische Behörde für Arzneimittelsicherheit, dass aufgrund vorliegender Studien ein Einsatz von Pentosan bei vCJD-Patienten zu früh sei. Damals waren die beiden Patienten noch ansprechbar, heute sind sie es nicht mehr, die Zersetzung ihrer Gehirne ist bereits zu weit fortgeschritten.

Hier scheiden sich die Geister: Befürworter, auch das Gericht, argumentieren, dass das Experiment den Krankheitszustand nicht verschlechtern könne, weil dieser ohnedies schon aussichtslos, der Tod absehbar sei. Sollte der Versuch aber funktionieren, würden die Jugendlichen zwar nicht geheilt, aber vielleicht stabilisiert, und man hätte dann Basisdaten, auf die man künftige Therapien mit der Arznei aufbauen könnte.

Viele Unbekannte

Gegner führen ins Treffen, dass die Patienten, die sich nicht mehr wehren können, um der Wissenschaft willen zu Versuchszwecken missbraucht würden. Weder kenne man die zu spritzende Dosis noch die Wirkung des Mittels, wenn es direkt mit dem Hirn in Kontakt kommt: Bisher gibt es die Substanz nur als Tablette, ihre Moleküle sind so groß, dass sie die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren können - was sie als Blasentherapeutikum nicht wirklich müssen.

US-Prionenentdecker und Nobelpreisträger Stanley Prusiner berichtete vor einem Jahr, dass erstmals die Arznei "Quinacrine" bei einer Hand voll vCJD-Patienten Symptome gebessert habe. Da aber gleich darauf einer seiner Patienten starb, wurde das Mittel zur Therapie abgelehnt. Noch gibt es keine Behandlung. (fei, DER STANDARD Printausgabe 19.12.2002)