Wien - Die EU-Erweiterung komme die alten Mitgliedsländer wesentlich billiger als die im Finanzrahmen der Union fixierte Obergrenze von 40,9 Mrd. Euro, sagte WIIW-Experte Sandor Richter am Mittwoch vor Journalisten. "Die wirklichen Kosten der Erweiterung betragen zwischen sieben und elf Milliarden Euro."

Grund für die Schwankungsbreite: Wie viel Geld fließen wird, ist davon abhängig, wie viele der projektbezogenen Mittel die neuen Länder beantragen und realisieren können. Selbst im optimistischsten Szenario würden die Nettozuflüsse nicht mehr als 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der neuen Mitglieder ausmachen. In manchen EU-Länder seien es dagegen bis zu fünf Prozent.

Von den Förderzusagen von insgesamt 40,9 Mrd. Euro seien nur 27,5 Mrd. Euro wirkliche Zahlungsverpflichtungen, darunter als sicheres Geld - sprich ohne Projekt mit Kofinanzierung durch ein Mitgliedsland - elf bis 14 Mrd. Euro. Nur ein Teil der Verpflichtungen würde auch fließen, sind die Experten überzeugt. Für das Abrufen der Gelder müssten die Reformländer in Mittel- und Osteuropa die derzeit nur unterentwickelte administrative Absorptionsfähigkeit von Fördergeldern stärken, betonte Richter.

Verhandlungserfolg

Die zehn EU-Beitrittskandidaten hätten beim Gipfel in Kopenhagen vergangene Woche dank guter Verhandlungen die Gefahr abwehren können, dass die potenziellen Neomitglieder zu Nettozahlern in der Gemeinschaft werden. Auf Basis ungarischer Zahlen geht das WIIW davon aus, dass 2004 mindestens 44 Prozent der projektbezogenen EU-Fonds ausgeschöpft werden müssen, um nicht zum Nettozahler zu werden, 2005 wären es 30 Prozent und 2006 mindestens 18 Prozent der Projektgelder. Dies spiegle die Situation aller zehn Beitrittskandidaten wider.

Weiterer Erfolg des Verhandlungsmarathons: Die Reformländer hätten zwar nun weniger Mittel für die ländliche Entwicklung, dafür würden die jedoch mehr Mittel für Direktzahlungen erhalten. Das bedeute, dass es zu einer stärkeren Kompensation von Einkommensverlusten der Landwirten zulasten von Entwicklungsprojekten wie etwa in der Infrastruktur kommen werde. Dies könnte jedoch längerfristig negative strukturelle Auswirkungen haben, mahnt das WIIW. Wegen der höheren Direktförderung werde es in den nächsten Jahren zu keiner Modernisierung der Landwirtschaft kommen. (rose/DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2002)