Bochum/London - Mit Stammzellen aus dem Nabelschnurblut wollen Bochumer Mediziner Nervenschäden als Folge von Sauerstoffmangel bei der Geburt heilen. Bisher drohen den Neugeborenen - etwa wenn sich während der Niederkunft die Nabelschnur um den Hals legt - schwere lebenslange Beeinträchtigungen: Nervenzellen im Gehirn werden nicht mehr ausreichend versorgt und sterben ab. Die Patienten leiden ähnlich wie Schlaganfallpatienten unter Lähmungen, Störungen der Bewegung und der Sprachentwicklung.

Die Wissenschafterin Carola Meier vom Anatomischen Institut der Ruhr-Universität Bochum untersucht derzeit, ob die Stammzellen aus der Nabelschnur in die geschädigte Hirnregion wandern, den Platz der toten Zellen einnehmen und sich selbst zu Nervenzellen entwickeln können. Dazu wollen die Experten die molekularen Mechanismen der Vermehrung und Entwicklung von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut in Zellkulturen untersuchen. Im Zentrum steht die Frage, ob und wie die Stammzellen Eigenschaften des Nervengewebes ausbilden.

Forschungen in den USA

US-Forscher konnten erstmals zeigen, dass sich Stammzellen aus dem Knochenmark in verschiedene Zelltypen des zentralen Nervensystems differenzieren können. Dies könnte heißen, dass sich diese neuralen Stammzellen zur Behandlung von Schlaganfall, Gehirntumoren und anderen neurodegenerativen Erkrankungen eignen. Ist dies der Fall, hätten Ärzte eine "erneuerbare" Quelle von Nerven-Vorläuferzellen aus dem Knochenmark in der Hand. Ethische Bedenken durch die Verwendung von fötalen Stammzellen sowie Hürden durch eine Gewebeabstoßung wären dann passe.

Studien an Ratten und viel versprechende Ergebnisse mit menschlichem Gewebe stimmen die Forscher optimistisch. Mit Hilfe eines modifizierten Virus als Transportvehikel gelang es, bestimmte Gene in neurale Stammzellen zu transferieren. Die Stammzellen differenzierten sich in verschiedene Zelltypen wie Sternzellen und Neuronen, schreiben die Forscher um John Yu vom Cedars-Sinai Maxine Dunitz Neurosurgical Institute in der Dezember-Ausgabe von "Experimental Neurology".

"Angezogene" Stammzellen

In vergangenen Studien des Institutes zeigte sich bereits, dass neurale Stammzellen von sich ausbreitenden Gehirntumorzellen "angezogen" werden. Warum ist aber nicht klar. "Es könnte sein, dass erkrankte Gehirnareale Substanzen bilden, die diese Stammzellen anlocken", erklärte Yu. Dennoch ist diese "natürliche Anziehungskraft" eine entscheidende Erkenntnis, da eine der größten Herausforderungen in der Behandlung von bösartigen Gehirntumoren die Tatsache ist, dass sich Tumorzellen von der Haupttumor-Masse lösen und so genannte "Satelliten-Tumore" bilden. Dieser Umstand macht auch die Behandlung bösartiger Hirntumore sehr schwierig: Sie haben keine definierten Grenzen und für Ärzte ist die Entfernung ohne die Beschädigung von gesundem Gewebe schwierig bis unmöglich.

Theoretisch könnten diese Stammzellen manipuliert werden, um Substanzen für die Reparatur von Gehirnschäden zu produzieren. Die ersten Versuche mit eigenen neuralen Stammzellen zur Behandlung von Schlaganfall-Patienten sind bereits im nächsten Jahr denkbar, erklärte Yu gegenüber der BBC. (APA/AP/pte)