Wien - Mit zwei kraftvollen Parts in zwei stimmungsvollen Einaktern nimmt Fritz Muliar derzeit Abschied von seinem Publikum in den Kammerspielen. Mit dem Ende der Ära Helmuth Lohner geht auch der Kammerschauspieler, um sich in Zukunft nur mehr auf "Seitensprünge" am Theater einzulassen.

Gewählt hat man dafür zwei Einakter - Nestroys Frühere Verhältnisse und Schnitzlers Abschiedssouper aus dem Anatol und liefert damit zwei hinreichend komische Theatertrotzstunden. Denn: Die nicht mehr ganz so jungen Granden - neben Muliar sind es Elfriede Ott und Ossy Kolmann - mimen im Schnitzler-Akt ein junges Trio bei Liebesverhandlungen. Der Kniff: Man dreht die Zeit zurück. Muliar zum Auftakt: "Also Abschiedssouper vor 50 Jahren. Na, wir probieren’s!"

Die experimentelle Tat gewinnt, während sie (auch der Textunsicherheiten wegen) schnell jeder Feinheit verlustig geht, erst dann an Grund und Boden, als feststeht, Schnitzler wird nun doch - nur in anderen Farben - als der Nestroy vom ersten Teil weitergespielt. Ossy Kolmann, der in den Früheren Verhältnissen schon ein "junger Nero" war, hört dem Entliebungsduell sittsam zu und ist knapp davor, sein bühnengroßes Augenzwinkern von zuvor gleich nochmals gewinnbringend einzusetzen.

Dem "Määänschen", den die Ott als Köchin Peppi Amsel im Nestroy einen "Barrbarr" schimpfte, zürnt sie nun - mit einer sonnengelben Federboa wedelnd - in gleicher Weise als "Anadoll".

Schwingende Röcke

Regisseur Peter Gruber hat die wenigen freien Plätze zwischen den schwingenden Reifröcken auf der Bühne beide Male bestmöglich aufgeteilt. Vielleicht ist es seiner Nestroy-Kennerschaft zuzuschreiben, dass die Früheren Verhältnisse eine stimmigere, konzentriertere und richtigere Arbeit ergaben. Muliar konnte - zur großen Zufriedenheit des Publikums - sein komödiantisches Talent besonders ausschöpfen.

Nichts Sichtbares erinnerte am vorgestrigen Premierenabend an einen Abschied, man hörte ihn aber in den wehmütigen Stimmen der Fans. Vielleicht wird es ein langer. (DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.12.2002)