Podgorica - Bei der Präsidentschaftswahl in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro gibt es am Sonntag elf Kandidaten, aber nur einen einzigen aussichtsreichen Bewerber: Filip Vujanovic. Der 48-jährige Parlamentspräsident und derzeitige Interims-Präsident war bis zur vorgezogenen Parlamentswahl im Oktober Regierungschef und gilt als bedingungsloser Gefolgsmann von Montenegros starkem Mann, dem Ende November als Staatschef zurückgetretenen und zum Ministerpräsidenten nominierten Milo Djukanovic.

Doch ob es der klare Favorit Vujanovic auf Anhieb in der ersten Runde schafft, ist ungewiss. Ähnlich wie der jugoslawische Staatschef Vojislav Kostunica, der sich vor zwei Wochen zum serbischen Präsidenten wählen lassen wollte und mit Abstand die meisten Stimmen bekam, könnte Vujanovic daran scheitern, dass die erforderliche Wahlbeteiligung von mindestens fünfzig Prozent der etwa 450.000 Stimmberechtigten möglicherweise nicht erreicht wird.

Sonst hat keiner eine Chance

Die bei der Parlamentswahl unterlegene proserbische Sozialistische Volkspartei (SNP) hat zum Boykott des Urnengangs aufgerufen und auch die kleineren Oppositionsparteien haben keine eigenen Kandidaten aufgestellt. Vujanovics zehn Gegenkandidaten werden zusammen nicht mehr als fünf Prozent der Stimmen vorhergesagt, die größtenteils wohl von Verwandten und Bekannten stammen dürften. Auch eine seit Tagen schlagzeilenträchtige Affäre um Verschleppung und Zwangsprostitution, im Zuge derer Innenminister Andrija Jovicevic unter anderen den stellvertretenden Oberstaatsanwalt Zoran Piperovic verhaften ließ, könnte sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken.

Der Juniorpartner von Djukanovics und Vujanovics Demokratischer Partei der Sozialisten (DPS), die sozialdemokratische SDP, widersetzt sich der von Djukanovic gewünschten Ablösung von Jovicevic und verweist auf die auch international gelobte Rolle des Innenministers bei der Aufklärung der Affäre. So sagte etwa die nach Podgorica gereiste Beauftragte des Stabilitätspakts für Südosteuropa, die ehemalige österreichische Frauenministerin Helga Konrad (S), Jovicevic habe sich beim Kampf gegen Menschenschmuggel und organisierte Kriminalität große Verdienste erworben. Djukanovic dagegen kritisiert, dass der Innenminister Piperovic festnehmen ließ, ohne den Oberstaatsanwalt und die Regierung darüber zu unterrichten.

Sex-Sklavin

Im Mittelpunkt der Affäre steht eine 28-jährige Frau aus Moldawien, die nach eigenen Angaben von der Mafia drei Jahre lang als Sexsklavin in Montenegro festgehalten wurde und dort Kunden aus höchsten Kreisen zugeführt wurde, bevor ihr die Flucht gelang. Konrad besuchte die Moldawierin im Frauenhaus und berichtete, dass sie Spuren schwerer Misshandlungen aufweise. Laut Konrad versicherte ihr Djukanovic, dass die Affäre vollständig aufgeklärt und es keinerlei Vertuschungen hinsichtlich beteiligter "ranghoher Persönlichkeiten" geben werde.

Djukanovic wird seit längerem vorgeworfen, in den 90er Jahren massiv in den Zigarettenschmuggel der italienischen Mafia erwickelt gewesen zu sein. Im Mai hatte deshalb die Justizbehörden in Bari Ermittlungen gegen Djukanovic aufgenommen. Der 1954 in Belgrad geborene Vujanovic gilt seit Jahren als Djukanovics "rechte Hand". Der Anwalt ist heute Vize-Vorsitzender der DPS, die aus dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens hervorging. Im innerparteilichen Machtkampf unterstützte er den prowestlichen Kurs von Djukanovic gegen den damaligen Präsidenten Momir Bulatovic. Von 1993 bis 1995 war er Justizminister, von 1996 bis 1998 Innenminister, anschließend Regierungschef unter Präsident Djukanovic.

Der frühere Kommunist Djukanovic hatte sich nach seinem Bruch mit der Regierung des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic zunächst vehement für die Unabhängigkeit Montenegros eingesetzt. Unter dem Druck der EU, die eine weitere Destabilisierung des Balkans fürchtete, stimmte er jedoch dem Staatenbund "Serbien und Montenegro" zu. Montenegro mit 650.000 Einwohnern und Serbien mit zehn Millionen Einwohnern bilden seit 1992 die Bundesrepublik Jugoslawien. (APA/AFP)