Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA/AFPI/Vanderlei Almeida

Berlin - Innenpolitische Gründe sieht der amerikanische Sprachwissenschafter Noam Chomsky für die gegenwärtigen Kriegsvorbereitungen der USA. "Die Bush-Regierung hat unseren Budgetüberschuss in ein Minus verwandelt, sie hat die Steuern für die Reichen gesenkt, während der Rest der Bevölkerung unter dem ökonomischen Missmanagement leidet. Da ist es nur logisch, die Bevölkerung in eine Angstspirale zu treiben und einen äußeren Gegner aufzubauen", bemerkt der Linguistik-Professor am "Massachusetts Institute of Technology" - laut "Washington Post" der "bedeutendste Intellektuelle unserer Zeit" - in einem von der deutschen Tageszeitung "Neues Deutschland" (Montag-Ausgabe) veröffentlichten Interview.

"Schauen sie sich nur die Entwicklung dieses Konflikts an: Im Juli noch war keine Rede von der Bedrohung, die vom Irak ausgeht. Im September, zwei Monate vor den Kongresswahlen, war Saddam Hussein plötzlich die Bedrohung Nr. 1. Das Kalkül ist aufgegangen", sagt Chomsky. Der Gelehrte bezweifelt energisch den Wahrheitsgehalt der westlichen Argumentationslinien für einen Krieg gegen den Irak, nämlich die andauernde massive Verletzung der Menschenrechte durch das Bagdader Regime und die Bedrohung durch Saddam Husseins vermutetes Arsenal an Massenvernichtungswaffen. "Die Briten haben ja einen dicken Bericht über die Menschenrechtsverletzungen (im Irak) herausgegeben. Ich bezweifle nicht, dass wahr ist, was darin steht. Was aber die britische Regierung nicht dazu sagt, ist die Tatsache, dass sich dieser Bericht auf Recherchen von amnesty international aus den achtziger Jahren stützt. Was damals Saddam Hussein an der eigenen Bevölkerung angerichtet hat, tat er mit Duldung oder Unterstützung der USA und Großbritanniens".

"Noch vor gut einem Jahr war die Empörung über den Diktator in Bagdad zumindest in London noch nicht wirklich ausgeprägt. Jack Straw hat in seiner damaligen Funktion als Innenminister noch einen Asylantrag eines Irakers mit dem Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit des irakischen Justizsystems abgelehnt", sagt Noam Chomsky. So unerschütterlich könne die Verpflichtung des Westens zur weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten also nicht sein, "die USA und die Briten kümmern sich einen Dreck um Menschenrechte", so Chomsky.

Auch die ehemalige Reagan-Regierung habe mit ähnlichen Mitteln gearbeitet: "Anfang der achtziger Jahre lag die Wirtschaft darnieder und (Präsident Ronald) Reagan konnte nichts dagegen unternehmen. Plötzlich mussten die USA die 'Contras' in Nicaragua unterstützen. Damals wurde etwa verbreitet, dass Nicaragua nur zwei Tagesmärsche von der Grenze der USA entfernt liegt. Werfen sie einmal einen Blick auf die Landkarte, dann werden sie feststellen, dass es Nonsens ist. 1986 mussten wir in Grenada landen, weil ja die Sowjets von diesem Inselchen aus die USA hätten angreifen können. Ende der achtziger Jahre war dann (Libyens Machthaber Muammar) Gaddafi dran", erklärt Chomsky.

Dass es Krieg gegen den Irak geben wird, steht für den Linguisten fest. "Die UNO wird es nicht verhindern können. Die USA haben sich ihre Autorisierung zu einem Militärschlag schon geholt, indem sie behaupten, der Irak verletze die neue UNO-Resolution. Wenn die Vereinten Nationen das bestätigen, ist das fein, wenn nicht, ist es auch egal." Das System der Vereinten Nationen hat nach Chomskys Auffassung grundlegend versagt, weil die USA inzwischen vorgeben würden, wie viel Bewegungsfreiheit die Weltorganisation habe.(APA)