London - Als Joe Strummer am 16. November dieses Jahres mit seiner Band The Mescaleros bei einem Benefizkonzert auftrat, stand plötzlich Mick Jones an seiner Seite und gab mit ihm ein paar Songs ihrer gemeinsamen Band The Clash zum Besten. Damit nährten die beiden Gerüchte, die künstlerisch bedeutendste Punkband Englands könnte sich wieder vereinigen. Dazu wird es nicht mehr kommen. Joe Strummer verstarb 50-jährig am 22. Dezember aus noch ungeklärten Gründen.

Der 1952 in Ankara als John Graham Mellor geborene Diplomatensohn spielte in einer Pub-Band namens The 101ers, bevor er mit The Clash im Sommer 1976 seinen ersten Auftritt absolvierte.

m Vergleich zu den eher nihilistisch entworfenen Sex Pistols, in deren Schatten und Vorprogramm das Quartett kurz stand, etablierte The Clash nicht nur eine sozialkritische und engagierte Sichtweise. Vor allem stilistisch scheuten sich Mick Jones, Nick "Topper" Headon, Paul Simonon und Sänger Strummer nicht, über den Tellerrand der Punk-Ästhetik zu blicken.

The Clash integrierte Stile wie Dub, Reggae und sogar Disco-Anleihen in ihr Werk und entsprachen damit der gesellschaftlichen Zusammensetzung und den kulturellen Einflüssen der britischen Insel. 1979 entstand der Klassiker London Calling - mit dem dem Elvis-Debüt nachempfundenen legendären Cover - und im Jahr darauf das Opus magnum der Band, das Dreifach-Album Sandinista! 1983 verließ Jones im Streit mit Strummer The Clash, bevor dieser 1985 den misslungenen Schwanengesang der Band ablieferte: das programmatische Cut The Crap. Danach produzierte der geniale Songschreiber, der Punk immer als die Fortsetzung von Rock'n'Roll - die Frisur! - betrachtete, Soundtrack-Arbeiten für Alex Cox' Sid and Nancy, Robert Franks Candy Mountain oder Jim Jarmuschs Mystery Train. Auch als Schauspieler war Strummer in dieser Zeit zu sehen: In dem Klamauk-Western Straight To Hell oder in Aki Kaurismäkis I Hired A Contract Killer.

1989 veröffentlichte er sein Solodebüt Earthquake Weather und ersetzte in den 90ern Shane MacGowan zeitweise als Sänger der Folk-Punks The Pogues. 1999 lieferte er einen erfolgreichen Score für die Killer-Komödie Grosse Pointe Blank ab und veröffentlichte sein zweites Album Rock Art And The X-Ray Style.

Ein solides Werk zwar, aber in die Geschichte geht Strum- mer, der am 10. März 2003 mit The Clash die Weihen der Rock'n'Roll-Hall of Fame empfangen hätte, damit nicht ein. Sehr wohl jedoch wegen meist mit Mick Jones zusammen verfassten Klassikern wie London Calling, Should I Stay Or Should I Go, Lost In The Supermarket, London's Burning, Tommy Gun, Spanish Bombs, Hitsville U.K., Ivan Meets G.I. Joe . . . hier reicht der Platz nicht aus.

Mit Joe Strummer starb einer der kreativsten Musiker der Punkgeneration. (flu)