Oberstdorf - Welcher Skispringer holt bei der Vierschanzen-Tournee als Erster den Grand Slam? Hat man sich vor einem Jahr gefragt. Heute fragt man sich: Welcher Skispringer kann als Erster nachmachen, was Sven Hannawald vorgehüpft ist? Ab Sonntag gibt's eine Tendenz, da beginnt in Oberstdorf die 51. Tournee, am Samstag wird trainiert und qualifiziert, wie gehabt sind die Besten vom Quali-Druck befreit.
Heimspiel
Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Hannawald sich selbst nachmacht, die Titelverteidigung bei der Tournee ist schon einigen gelungen, zuletzt vor 16 Jahren Ernst Vettori, der heute die ÖSV-Springer vermarktet. Hannawald, der zu Saisonbeginn pausierte, ist in wieder toller Form, der Deutsche hat sich zurückgemeldet, zuletzt in Engelberg gewonnen und gesagt: "Ich freue mich auf die Tournee. Seit dem Vorjahr ist das mit nichts auf der Welt zu vergleichen. Ich fühle mich fast wie zu Hause, wenn der Kessel brodelt."
Vor Weihnachten ist Hannawald neben Franziska van Almsick und dem Fußballteam als "Deutschlands Sportler des Jahres" geehrt worden, auf den Plätzen landeten Dirk Nowitzki und Michael Schumacher. Zu Weihnachten hat er "vor allem die Füße hochgelegt". Gestern stand, eigentlich: lag, ein Hase auf dem Tisch, am Heiligen Abend ein Gänsebraten, darüber hinaus hat Hannawald "Stollen gegessen", das klingt nach einer ordentlichen Völlerei, kein Wunder, dass ein Regenerationslauf nötig wurde. Der 28-Jährige fiebert Oberstdorf entgegen. "Ich verspüre wieder das irre Gefühl vom Fliegen. Das Selbstvertrauen ist zurück. Neben mir könnte eine Bombe einschlagen, das wäre mir wurscht."
Keine Spekulationen
Obwohl ihn alle Wettbüros als Favoriten für den erneuten Tournee-Gesamtsieg handeln, hält sich Hannawald mit Prognosen zurück. "Ich bin kein Platzierungsspekulierer, schließlich schlafen die anderen Nationen auch nicht, und die Tournee hat ihre eigenen Gesetze", sagt jener Mann, der doch gerade diese Gesetze vor einem Jahr außer Kraft gesetzt hat. Den "schrecklichen Sven" haben sie ihn damals genannt, und er sagt, er habe seine Leistung bis heute nicht richtig realisiert. "Die Größe von dem Ding kann ich bestimmt erst in vielen Jahren begreifen, wenn ich als Opa vor dem Fernseher sitze. Jetzt sind das noch zwei komplett verschiedene Personen. Ich und der Typ, der das alles durchgestanden hat."
Als einziger Springer der Weltelite fliegt Sven Hannawald mit dem alten Ski vom vergangenen Winter. "Aber mit dem kann ich alles wegblasen." (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 27. Dezember 2002fri, sid)