Eurobürger und Eurohüter können mit gutem Gefühl dem ersten Geburtstag ihrer Gemeinschaftswährung entgegensehen, denn in Relation zum Dollar steht der Euro so gut da wie schon lange nicht. Seine pränatale Phase begann der Euro 1999 bei einem Kurs von 1,17 Dollar, sein Dasein als "richtiges Geld" 2002 dagegen etwas unterernährt mit 90 Cent, magerte noch ein wenig ab, kann aber das erste Jahr mit rund 1,03 Dollar beschließen. Und für das zweite Jahr wird dem Spross der europäischen Einheit stetige Gewichtszunahme vorausgesagt.

Diese Entwicklung beruhigt, denn wer will schon mit einem Geld unterwegs sein, dass scheinbar ständig leichtgewichtiger wird und dem ohnedies der beharrliche Ruf anhängt, ein Teuro zu sein, auch wenn uns die Inflationsrate anderes sagt.

Aber der Aufwärtskurs darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eher Fettpolster als Muskeln sind, die der Euro zugelegt hat. Die Aktienmärkte bleiben im Keller, während die Europäische Zentralbank die Zinsen im Vergleich zu den USA hochgehalten hat, also strömt Geld von den USA nach Europa - so einfach ist das. Dazu kommt, dass sich das US-Außenhandelsdefizit ausweitete, was den USA dank des leichteren Dollars billiger kommt, den europäischen Exporteuren hingegen teurer.

Im Vergleich der Volkswirtschaften jedoch zeigt sich, dass die USA kontinuierlich größeres Wachstum und geringere Arbeitslosigkeit als der Euroraum ausweisen. Wenn die Aktienmärkte wieder anspringen, wird der schnöde Mammon schnell in die Richtung schwimmen, wo mehr zu holen ist. Freuen wir uns also über den unverdienten Gewinn, und konzentrieren wir uns auf die Behebung unserer langfristigen wirtschaftlichen Defizite. Damit bei künftigen Geburtstagen die Kraft des Euro und nicht die Schwäche des Dollars gefeiert werden kann. (DER STANDARD, Printausgabe 27.12.2002)