"Außergewöhnlich schwierige Rahmenbedingungen" attestiert Heinz Nußbaumer, Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus" (IQ), dem österreichischen Journalismus. Der Verein hat sich kürzlich mit neuem Namen und neuem Arbeitsprogramm öffentlich zu Wort gemeldet (etat.at berichtete). Nun möchte man daran gehen, "einen selbstkritischen Dialog der Medienschaffenden über die eigenen Redaktionsgrenzen hinaus" zu initiieren, erklärt Nußbaumer. "Mehr Mut und Demut" und "mehr Widerstandskraft gegenüber Trivialisierung, Quotendruck und Zumutungen von außen" könnte der heimische Journalismus gut vertragen, meint er.

"Fast globale Trends zum Event- und Kampagnenjournalismus"

Leicht werde es den österreichischen Journalisten aber nicht gemacht: International gültige Faktoren wie wachsender ökonomischer Druck, Globalisierung von Information und "fast globale Trends zum Event- und Kampagnenjournalismus" seien auch hier zu Lande spürbar, hält Nußbaumer fest. Hinzu kämen österreichische Spezifika wie die oft beklagte Medienkonzentration, die "Kleinheit des Marktes" und auch "immer noch gewisse Defizite in der Ausbildung".

"Akuter Nachholbedarf an Weltoffenheit"

Dazu fehle vielen Österreichern - auch Medienschaffenden - Verständnis oder Interesse für internationale Entwicklungen. Seinen Ursprung habe dies unter anderem in der Kleinheit Österreichs und der Neutralität. "Hier besteht ein akuter Nachholbedarf an Weltoffenheit", so Nußbaumer, langjähriger früherer Auslandsressortchef des "Kurier" sowie früherer Sprecher der Bundespräsidenten Waldheim und Klestil.

Medieneigentümer sollten in Qualität investieren

Zu allererst gefordert im Bemühen um qualitativ hochwertige Berichterstattung sieht IQ aber die schreibende Zunft selbst: "Für journalistischen Ethos sind zuerst einmal die Journalisten verantwortlich. Wir wollen nicht den Richter spielen, andere belehren und Punkte verteilen." Für diese bewusste Entscheidung zum Ethos braucht es aber auch genügend Freiraum: "Wenn ein Journalist um seinen Arbeitsplatz fürchten muss oder als freie Mitarbeiter ohne jedes Sicherheitsnetz lebt, ist schnell die 'Schere im Kopf' bei der Hand." Die innere Pressefreiheit stärken könnte etwa die Verankerung des Ehrenkodex der österreichischen Presse in den Dienstverträgen der Redakteure, meint Nußbaumer.

Doch auch die Medieneigentümer sind seiner Ansicht nach gut beraten, in Qualität zu investieren. "Wenn Medieneigentümer längerfristig über ihre Interessen nachdenken, müssten sie erkennen, dass Qualität eine Chance ist. Analphabeten von morgen kaufen keine Zeitung mehr. Und ein Medium, das keine Nebensätze mehr hat, wird bald auch die Hauptsatzleser verlieren." Schließlich sei "ein Zeitungsunternehmen keine Haferflockenfabrik".

Kritierien für journalistischer Qualität

An der Definition von journalistischer Qualität scheiden sich indes häufig die Geister, differieren doch die Ansprüche je nach Mediengattung. Nußbaumer nennt aber "Einzelmerkmale" wie "Genauigkeit im Umgang mit Fakten, Quellentransparenz, Orientierung an Objektivitätskriterien oder wohlüberlegte Auswahl der Nachrichten". Kriterien, die etwa bei Nachrichtenagenturen zum Kerngeschäft gehören, weshalb Nußbaumer dort auch "keinen Trivialitätsdruck" ortet, wenn auch in manchen Staaten "mitunter den Druck nationaler Interessen".

Presserat nötig

Für das kommende Jahr hat sich die Initiative bereits einiges vorgenommen. In einer Enquete will man etwa dem journalistischen Berufsbild nachgehen: "Wer ist wirklich Journalist - die Aushöhlung eines Berufsbildes zwischen Marketing und Online-Medien", so die Frage dabei. Vehement tritt der Verein auch für die seit langem ausstehende Reform der Presseförderung ein, und zwar "Hin zur Förderung der Qualität: Die Kleinheit oder Größe eines Medium kann nicht alleiniger Maßstab sein", wie Nußbaumer betont. Die Neuordnung des Presserats fordert man ebenfalls entschieden ein, ist doch journalistische Selbstkontrolle einer der Ansatzpunkte der "kritischen Selbstreflexion", die sich IQ auf die Fahnen geheftet hat. "Zu diesem Thema werden wir uns wahrscheinlich sehr rasch wieder melden."

"Kein leichter Beruf"

Erfreut ist Nußbaumer über die Resonanz aus der Branche auf den "Neustart" der Initiative. Gerade von jungen Kollegen und Kolleginnen habe es zahlreiche Reaktionen gegeben. "Das zeigt, dass interessierter und qualifizierter Nachwuchs da ist und dass er wahrscheinlich sehr gut ist." Doch die "Jungen" haben sich "keinen leichten Beruf" ausgesucht, betont er: "Sich's schwerer zu machen ist besser, als es sich leichter zu machen", so sein durchaus "anspruchsvolles Motto". "Demut" sieht er auch dabei als angebracht: Nämlich "vor der Aufgabe und Distanz zu den Verlockungen und Privilegien, die mit jeder öffentlichen Präsenz verbunden sind".