Bei einem Angriff auf den Irak spielen Energieinteressen bloß eine Nebenrolle" schreibt Eric Frey (STANDARD, 27. 12.) . Dieser Argumentation ist nicht leicht zu folgen: Erstens produzieren die USA selbst nur einen Bruchteil der 19 Millionen Barrel Öl, die sie tagtäglich verbrauchen. Zweitens könnte sich der Anteil der Ölimporte, die sie derzeit aus der Golfregion beziehen (28 Prozent), angesichts der unsicheren Lage bei einigen ihrer Hauptlieferanten (vor allem Venezuela!) bald dramatisch erhöhen.

Drittens macht die US-Administration aus ihren einschlägigen Interessen auch gar kein Hehl. In der Strategic Resolution vom 17. September d. J. ("To defend freedom, democracy und free trade") heißt es sehr klar: "Oil equals freedom and must be guaranteed for every American." Und weiter: "Oil is indespensible and will be for the next 20 years."

Abwegige Begründung

Für völlig abstrus hält Frey auch die Annahme, dass zwischen den Kriegsplänen von Bush und Cheney und den Interessen ihrer Freunde in der Ölindustrie ein gewisser Zusammenhang bestehen könnte. Doch es gibt nicht wenige gut informierte US-Experten wie etwa Jeremy Rifkin, die diesen Zusammenhang sehr wohl sehen: Bush gründete in den 80er-Jahren die Ölbohrfirma Arbusto in Texas, Cheney war Vorstandschef der großen Energiefirma Halliburton, die in rund 100 Ländern präsent ist. Und dass die Ölindustrie Bush im Wahlkampf massiv unterstützte, ist auch kein Geheimnis.

Frey meint weiter, wenn die USA zuschlagen, dann aus Gründen der nationalen Sicherheit. Nun, so verständlich die Erschütterung und die Frucht der Amerikaner nach 9/11 vor weiteren Anschlägen ist, so unrealistisch erscheint die Annahme, dass im Irak gelingen könnte, was in Afghanistan gescheitert ist, nämlich Al-Qa'ida auszuschalten. Zu diesem Zweck wäre Saudi-Arabien als bekannter Hort von Al-Qa'ida-Kämpfern wohl der logischere Gegner.

Die Bedrohung der USA durch den Irak, einem nach zehn Jahren Embargo geschwächten Land, konnte noch nie überzeugend festgestellt werden. Und selbst für den Fall, dass die UN-Inspektoren Massenvernichtungswaffen finden: Werden die USA dann konsequenterweise alle Länder, die im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind, mit einem Präventivschlag bedrohen? Und das, ungeachtet der Tatsache, dass Präventivschläge durch Art. 2, § 4 und 51 der UN-Charta eindeutig verboten sind?

Vorbeugende Verteidigung ("anticipated defence") ist zudem wiederholt durch die amerikanische Gesetzgebung wie durch die Tribunale von Nürnberg und Den Haag in den Kriegsverbrecherprozessen verurteilt worden. Sie würde die Bestrafung einer - angeblich - beabsichtigten Tat vorwegnehmen und steht damit in krassem Widerspruch zu unserer Rechtsauffassung.

Interessantes Detail am Rande: Am 19. Juni 1981 verurteilte der UN-Sicherheitsrat - mit der Stimme der USA - den Angriff Israels gegen den Atomreaktor Osiraq bei Bagdad und wies damit die von Israel vorgebrachte Rechtfertigung, die Zerstörung des Reaktors sei notwendig gewesen, um Israel vor der Herstellung von Atombomben im Irak zu schürzen, ab.

Eine andere Lesart ist, der Krieg müsse geführt werden, um die leidende irakische Bevölkerung von ihrem grausam-tyrannischen Unterdrücker Saddam Hussein zu befreien. Doch es muss bessere Wege der Befreiung geben, als Bomben regnen zu lassen. Wenn Terror Krieg ist, und das ist er, so ist Krieg auch Terror. Gegen die Bevölkerung.(DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2002)