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Zukunftsforscher Horx
Foto: APA/EPA/THOMAS MUNCKE

In Zukunft gilt es nicht mehr, "auf der Spur zu fahren, sondern zu navigieren, zu kreuzen und Umwege in Kauf zu nehmen", erläutert Deutschlands bekanntester Trendforscher, Matthias Horx, in einem Interview mit Johanna Zugmann.

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Standard: Europa wird eine überalterte Bevölkerung vorausgesagt. Mit welchen ökonomischen Auswirkungen ist diese Entwicklung verbunden?

Horx: Nach den Berechnungen des Rostocker Max-Planck-Institutes wird jedes zweite Mädchen, das im Jahr 2000 geboren wurde, das 22. Jahrhundert erleben. Verbunden mit diesem Prozess ist ein umfassender Wertewandel, in dem Altersbilder neu definiert werden und der Schwerpunkt des Konsumverhaltens sich zugunsten der Älteren verschiebt. Die Kaufkraft der "Älteren" ist mehr als dreimal so hoch wie die der viel umworbenen Zielgruppe der 14- bis 20-Jährigen. Gesundheits-und Dienstleistungsaspekte gewinnen an breiter Front an Bedeutung. Eine Phase des "proaktiven Alterns" entsteht, mit völlig neuen Rollen- und Lebensbildern.

Die heutige Generation jenseits der 50 ist der festen Überzeugung, einen luxuriösen Lebensabend samt Kreuzfahrt und Sony-Handy- cam verdient zu haben.

Standard: Einen weiteren Megatrend sehen Sie im Durchbruch der Frauen . . .

Horx: Hintergrund ist die Umverteilung der Bildungs- und Qualifikationsressourcen zugunsten des weiblichen Geschlechts. Während jüngere Frauen zu einer eher autonomie- und karrierebetonten Lebensweise tendieren und Familiengründungen hinauszögern, entscheiden sich Frauen im mittleren Alter immer mehr für eine Art "neues Hausfrauentum", bei dem Selbstverwirklichung zu Hause und das Management der Familie im Vordergrund stehen.

Standard: Welche Fähigkeiten zählen in Zukunft?

Horx: Das Leben wird zur Expeditionsreise. Statt wie bisher auf der Spur zu fahren, gilt es zu navigieren. Das ist ein komplexer Prozess von Richtungssuche und Korrektur. Der Kurs muss öfter überprüft und revidiert werden, man muss kreuzen und Umwege in Kauf nehmen.

Standard: Sie sprachen kürzlich von einer regelrecht hysterisierten zukunftspessimistischen Öffentlichkeit . . .

Horx: Unsere große aktuelle Herausforderung ist die Bewältigung des Übergangs von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft, der damit einhergehenden Veränderung unserer Lebens- und Arbeitsstrukturen.

Er erfordert andere politische und staatliche Systeme, andere Denkweisen und Mentalitäten, als das hinter uns liegende Zeitalter.

Dass im deutschsprachigen Raum die meiste Zeit dafür verwendet wird, zu besprechen, wie es garantiert schief geht, ist nicht zum Aushalten! (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 30.12.2002)