Wien - Die Baisse, die seit Sommer 2000 an den internationalen Aktienmärkten das Zepter schwingt, hatte auch im Jahr 2002 an den Leitbörsen weiterhin das Sagen. Übertriebene Erwartungen für die Entwicklung der Weltkonjunktur und damit auch der Unternehmensgewinne trieben die Indizes im Jahresverlauf noch weiter in die Tiefe. Erst als die Analystenschar ihre Gewinnerwartungen im Herbst so weit nach unten geschraubt hatte, dass sie von den Unternehmen zum Teil übertroffen werden konnten, setzten die Aktienkurse - wie bereits rund zwölf Monate zuvor - zu einer zumindest zwischenzeitlichen Erholung an.

Die nach dem Platzen der Aktienblase und durch die schleppende Entwicklung der Weltkonjunktur ohnehin nicht günstigen Rahmenbedingungen wurden durch den Vertrauensverlust nach den US-Bilanzskandalen im ersten Halbjahr weiter belastet. Nachdem bei dem Ende 2001 in die Pleite geschlitterten Energiehändler Enron Bilanzfälschungen festgestellt wurden, weitete sich eine Vertrauenskrise an den Finanzmärkten aus, als im Frühsommer auch der Telekomkonzern WorldCom insolvent wurde und gefälschte Bilanzen eingestehen musste.

Vertrauensverlust belastet internationale Aktienmärkte

Der Vertrauensverlust habe die internationalen Aktienmärkte schwer belastet, meint Aktienanalystin Monika Rosen vom Asset Management der Bank Austria Creditanstalt. Mittlerweile hält sie die Problematik aber für ausgestanden. Seit der Unterschriftenaktion im August, als die Chefs und Finanzvorstände der meisten US-Großunternehmen die Bilanzen ihrer Firmen beeidigen mussten, sei das Thema aus den Schlagzeilen.

Abgelöst wurde der Vertrauensverlust von der ständig zunehmenden Kriegsgefahr im Nahen Osten, die den Börsianern im zweiten Halbjahr 2002 Kopfzerbrechen bereitete. Statt einer "Santa Claus-Rally" an den Aktienbörsen kam es laut Rosen wegen des sich zuspitzenden Irak-Konflikts gegen Jahresende zu einem Anstieg bei Gold und Erdöl. Ein höherer Ölpreis wiederum verstärkt die Sorgen um die ohnehin stotternde Konjunktur.

Keiner entkam Verkaufsdruck der Bären

Kaum eine Branche konnte 2002 dem Verkaufsdruck der Bären entrinnen. Zu den wenigen Gewinnern zählen Rohstoffwerte, vom Anziehen vieler Rohstoffpreise begünstigt. Gewaltig unter die Räder kamen im Jahresverlauf hingegen Finanzwerte, die mit den Auswirkungen der mittlerweile fast dreijährigen Aktienbaisse auf ihre Veranlagungen zu kämpfen hatten. Banken litten zudem unter einer Verschlechterung ihrer Kreditportfolios, während Versicherungen mit großen Schadensfällen wie dem Jahrhundert-Hochwasser konfrontiert waren.

In den USA, die von den meisten Marktteilnehmern weiterhin als globale Konjunkturlokomotive angesehen wird, verlor der Dow Jones auf Jahressicht 17,1 Prozent auf 8.303 Punkte. Schlimmer erwischte es Europa mit seiner schwächelnden Binnennachfrage: Der Eurostoxx-50 sank um 37,6 Prozent auf 2.373 Zähler, während der DAX sogar um 44,2 Prozent auf 2.881 Punkte einbrach.

Loser Telekom- und Technologietitel

Zu den größten Verlierern des Baissejahres 2002 gehörten neuerlich die Telekom- und Technologietitel, die ihre Überbewertung nach dem Technologiehype offenbar noch immer nicht abgebaut hatten. Der Nasdaq Composite verlor 30,9 Prozent auf 1.348 Punkte, während der Nemax-50, Leitindex des zu Grabe getragenen Neuen Marktes, sogar um 68,6 Prozent auf 361 Einheiten abstürzte.

Die Tokioter Börse beendete das Jahr 2002 gar auf dem tiefsten Ultimo-Stand seit 20 Jahren. Der Nikkei-225 büßte auf Jahressicht 18,6 Prozent auf 8.579 Punkte ein.(APA)