Mit rund fünf Mandaten, die die schmutzigen Umtriebe die Likud-Partei bei ihren internen Vorwahlen laut Umfragen bisher gekostet haben, hält sich der Schaden noch in Grenzen, doch der Skandal will nicht und nicht verschwinden und hat nun erstmals den Rand der Regierungsschicht erreicht.

Naomi Blumenthal, Vizeministerin für Infrastruktur, wurde von der Polizei vorgeladen, weil möglicherweise in ihrem Auftrag kurz vor den "primaries" Parteifunktionäre in 15 Zimmern eines Luxushotels verwöhnt worden waren. Und was noch schlimmer ist: Blumenthal, die auf der Liste der großen Rechtspartei weit vor bekannteren Politikern den erstaunlich guten neunten Platz belegt hatte, macht angeblich von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.

Sollte es sich bewahrheiten, dass die Vizeministerin nicht mit der Polizei kooperiert, dann will Ariel Sharon sie sofort entlassen. "Wenn sich herausstellt, dass jemand etwas Unkorrektes gemacht hat, werde ich dafür sorgen, dass er aus den Reihen des Likud entfernt wird, egal, ob es ein Abgeordneter sein wird oder ein Minister", hatte der Premier erklärt, als die Affäre erstmals ruchbar wurde, "ich werde diese Sache mit der Wurzel ausrotten."

Blumenthal sieht sich jetzt als "Sündenbock" für eine Praxis, die offenbar nicht die Ausnahme, sondern die Norm war. Als vor drei Wochen 3000 Parteifunktionäre die Kandidaten wählen und reihen durften, die nun auf der Liste für die Parlamentswahlen am 28. Jänner stehen, sprach man beim Likud stolz von einem "Fest für die Demokratie". Doch im Hintergrund scheinen halbprofessionelle "Stimmen-Lieferanten" unterwegs gewesen zu sein, die den um ihre Karriere bangenden Politikern paketweise - angeblich um rund 200 Euro das Stück - wahlberechtigte Delegierte zuschanzten.

Man munkelt sogar, dass das organisierte Verbrechen eingeschaltet war und versuchte, den politischen Apparat bis hinauf in die Regierung zu unterwandern. Bis jetzt hat die Polizei sich bei kleinen Helfern und Chauffeuren kundig gemacht, jetzt beginnt sie offenbar, sich die politischen Etagen vorzunehmen. Wenn der Premier es mit dem Ausmisten ernst meint, könnte er schon deswegen in Schwierigkeiten kommen, weil sein eigener Sohn, der 38-jährige Omri Sharon, einer der großen Macher bei den Vorwahlen war und selbst ins schiefe Licht gekommen ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2002/1.1.2003)