Keine höheren Kassenbeiträge, aber weniger ärztliche Handlungsfreiheit bei der Medikamentenverschreibung und Vereinheitlichung der Selbstbehalte: Das strebt Josef Kandlhofer, Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, an.

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Wien - Die Ärzteschaft ist gar nicht entzückt, doch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sieht darin großes Sparpotenzial: Mediziner könnten künftig nur mehr den Wirkstoff zur Patientenbehandlung verschreiben, und der Apotheker sucht dann das kostengünstigste Medikament aus. Das schwebt dem Hauptverbands-Chef Josef Kandlhofer vor. Allerdings dürfe man auf innovative Produkte nicht verzichten, sagt er im STANDARD-Gespräch: "Wir wollen ja keine Medizin zweiter Klasse."

Dennoch sei bei den Medikamenten - der in den letzten zehn Jahren am stärksten gewachsene Gesundheitsbereich - noch sehr viel Sparpotenzial drinnen. Kandlhofer wünscht sich ein "Überdenken der Rezeptpflicht", sprich: mehr Selbstmedikation. Beobachtet werden auch Projekte in Bundesländern, wonach das Honorarvolumen der Ärzte steigt, wenn mehr Generika (billige Nachahmerprodukte erfolgreicher Medikamente) verschrieben werden.

Großes Echo fand letzten Juli ein STANDARD-Bericht über den Plan, die Chefarztpflicht abzuschaffen, überdurchschnittliche Kostensteigerungen aber auf die Pharmafirmen abzuwälzen. Was seither geschehen ist? "Sie ist weiter ein Ziel", sagt Kandlhofer vorsichtig. 4,8 Prozent der Verschreibungen sind chefarztpflichtig. Sie sind im Schnitt dreimal so teuer wie "normale" Medikamente. "Ich würde eine große Fangemeinde kriegen, wenn ich das schaffe", schmunzelt Kandlhofer. Doch der Vorstoß hat ihm offenbar auch viel interne Kritik eingetragen.

Weiteres Vorhaben des früheren Chefs der Bauernkasse: Er will den "Wirrwarr an Selbstbehalten" vereinheitlichen und vereinfachen.

Ende 2004 soll - trotz großer Probleme der Erzeugerfirma - allen Österreichern die Chipcard zur Verfügung stehen. Die Ärzte wehren sich, das "Serviceentgelt" dafür einzuheben. Dieser Punkt sei noch nicht ausdiskutiert, sagt der Hauptverbands-Chef.

Zu viele Geräte

Zu seiner Philosophie gehört: "Wer zahlt, muss das Sagen haben." Daher schmerzt es ihn, dass Wien gegen den Willen des Hauptverbandes drei zusätzliche Magnetresonanztomographen bekommt, obwohl es ohnehin bereits die höchste Gerätedichte hat. "So etwas wird sich unser Gesundheitswesen nicht leisten können", warnt Kandlhofer. In Wien gebe es auch zu viele niedergelassene Mediziner.

Die Rufe nach Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung will der Gesundheitsfunktionär hingegen nicht mehr hören. "Weil strukturelle Reformen nur passieren, wenn die Ressourcen knapp sind." Und zur wichtigsten Strukturreform zählt aus seiner Sicht eine Gesundheitsfinanzierung "aus einem Topf". Die ÖVP will in diesem Zusammenhang eigene Ländertöpfe, die SPÖ Machtkonzentration bei den Kassen.

Was sich seit der schwarzen Machtübernahme in der Sozialversicherungen geändert hat? Kandlhofer zählt flugs auf: eine schlankere Führungsspitze des Hauptverbandes, ein Rahmenvertrag für Gruppenpraxen, künftig fixe Finanzziele für die Kassen, bürokratische Erleichterung für Firmen durch eine einheitliche Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben. Ab 2004 soll überdies - rückwirkend für 2003 - der ASVG-Patient zum ersten Mal eine Quittung der Kasse für erhaltene Leistungen bekommen. Weitere Ziele? Zum Beispiel ein Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten. Wie der aber genau ausschauen soll, verrät Kandlhofer noch nicht. (Martina Salomon/DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2002/1.1.2003)