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"Lichtermeer" am 23.01.1993 am Wiener Heldenplatz

Foto: APA/Kainrath

Wien - Franz Löschnak saß in seinem Innenminister-Büro, zündete sein Kerzerl an und fühlte sich ungerecht behandelt: "Es kränkte mich, ins rechte Eck gestellt zu werden." Heide Schmidt saß am 23. Jänner 1993 im Zimmer der 3. Nationalratspräsidentin der FPÖ, stellte eine Kerze ins Fenster und fühlte sich "auf der falschen Seite". Max Koch von SOS Mitmensch wanderte damals mit der Fackel wie eine Viertelmillion andere auf dem Heldenplatz und fühlte sich einfach gut: "Das erste Mal fanden sich aus verschiedenen Lagern Leute zusammen, um gegen die Sündenbockpolitik der FPÖ und des Innenministers zu demonstrieren."

Wenige Tage danach unterschrieben 416.531 das Antiausländervolksbegehren der FPÖ, verschärfte Löschnak die Asylgesetze - und Schmidt gründete das Liberale Forum.

Und heute, zehn Jahre nach dem Lichtermeer, der größten Politdemo der 2. Republik, ist Löschnak überzeugt, dass "ich Recht hatte, nicht SOS Mitmensch. Die Zuzugsregelung war nötig. So schlecht können die damaligen Ausländergesetze nicht sein, sie bestehen ja noch." Sicher, im Nachhinein würde er Details ändern, etwa humanitäre Ausnahmen schaffen: "Dass damals Zweijährige ausgewiesen wurden, erweckte teils den Eindruck, dass die Gesetze zu streng sind." Prinzipiell würde Löschnak die Gesetze wieder so machen, sieht sich bestätigt, dass andere EU-Staaten ähnliche Regeln haben - und glaubt, dass "von SOS Mitmensch nichts blieb".

Eigentlich müsste Löschnak sagen: von uns. Denn auch er trat damals der Aktion bei. Was Koch, immer noch Sprecher von SOS Mitmensch, im Nachhinein für falsch hält: "Die Anbiederung von Politikern hätten wir ablehnen sollen. Bei der 2. Großdemo 2000 haben wir gelernt." Gerade die Demo gegen Schwarz-Blau hält Koch für einen Beweis, dass die Bewegung weiterlebe. Wie das "Netzwerk an Anti- rassismusinitiativen, die sich um das Flaggschiff Lichtermeer entwickelten". Die wesentlichste Folge des Lichtermeers ist für ihn "das Erwachen der Zivilgesellschaft".

Auch Schmidt hält die Allianz, die im Haus André Hellers mit Caritas-Präsident Helmut Schüller und Grün- Politikern begann und sich bald erweiterte, für den "sichtbaren Beginn der Zivilgesellschaft": "Die Politik muss heute anders als damals damit rechnen, dass sie bei groben Verstößen eine Antwort von außerhalb des Parlaments bekommt." Allerdings, seufzt Schmidt, sei dieses andere Österreich weniger weit entwickelt als erhofft: "Die Zivilgesellschaft konnte den Regierungseintritt der FPÖ nicht verhindern - das relativiert natürlich viel." Den Satz will Schmidt nicht sagen, ohne ein großes aber anzuhängen: "Der Politisierungsschub der Zivilgesellschaft ist nicht zu gering zu bewerten. Das Lichtermeer war mehr als nur ein Strohfeuer." (DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2003)