Paris/Washington/Wien - "Habe ich ,altes Europa‘ gesagt?", fragte Donald Rumsfeld unschuldig, als ihm ein Journalist am Ende einer denkwürdigen Pressekonferenz in Washington prophezeite, der Minister werde mit seiner Äußerung auf die Titelseiten der Zeitungen in Europa kommen. Rumsfeld hat es gesagt und noch viel mehr ("Sie halten Deutschland und Frankreich für Europa. Ich tue es nicht. Wenn Sie sich heute das ganze Nato-Europa anschauen, dann hat sich das Kraftzentrum nach Osten verschoben"), und dies alles mit Berechnung, wenn man Ted Galen Carpenter vom konservativen US- Thinktank "Cato Institute" glauben will: "Für die USA ist die Nato-Erweiterung vor allem ein Mittel, um die wachsende Kritik oder sogar die Opposition Frankreichs und Deutschland gegenüber ihnen auszugleichen."

Noch in der Nacht auf Freitag versuchte der deutsche Außenminister den Sturm der Entrüstung in Berlin und Paris zu glätten. Doch selbst Joschka Fischers Beruhigungsversuch fiel einigermaßen patzig aus. "Cool down!", empfahl er dem US-Verteidigungsminister, will heißen: Der Hitzkopf aus dem Pentagon hat wieder über die Stränge geschlagen. Dabei hatte sich der transatlantische Streit über den Irakkrieg die ganze Woche über stetig hochgeschaukelt.

Unter dem Vorsitz Frankreichs waren im UN-Sicherheitsrat in New York bereits am Montag die gegensätzlichen Meinungen zum Irak aufeinander geprallt. Aus pädagogischen Gründen hatte Paris eine Sitzung zum Thema "Terrorismus" anberaumt, um deutlich zu machen, dass es noch andere Probleme in der Welt gibt als die Ausarbeitung eines Feldzuges gegen Bagdad. Ab in die Sackgasse

Doch Außenminister Dominique de Villepin zog in der Debatte recht bald die Drohung eines Vetos Frankreichs gegen eine Kriegsresolution hervor. "Wenn der Krieg der einzige Weg ist, dann steuern wir in eine Sackgasse", belehrte er seinen amerikanischen Kollegen Colin Powell. "Wir glauben heute, dass nichts berechtigt, eine militärische Aktion ins Auge zu fassen", meinte de Villepin und fuhr ungerührt fort: "Wenn sich die USA für einen unilateral geführten Militärschlag entscheiden, dann wäre die Frage der Legitimität die erste Frage, die wir stellen würden."

Powell, so heißt es, habe die Erklärung des Franzosen besonders erbost. Frankreich und Deutschland hätten mit ihrem Widerstand die Einigkeit im Sicherheitsrat gebrochen und Bagdad in die Hände gearbeitet, soll er seinen Mitarbeitern geklagt haben. Wenn der Druck auf den Irak nachlässt, schade dies nur der Arbeit der Inspektoren.

Eine Sitzung der 19 Nato- Botschafter am Mittwoch in Brüssel wurde zur nächsten Station des transatlantischen Dramas. "Es war eine ziemliche harte Diskussion", gestand ein Diplomat später ein, die Argumente für und wider einen Irakkrieg seien über den Tisch "hin- und hergeflogen". Auf der Tagesordnung stand dabei lediglich das Gesuch der USA an die europäischen Nato-Partner, der Türkei im Falle eines Angriffs aus dem Irak beizustehen und Awacs-Maschinen und Luftabwehrraketen bereitzustellen. Weil die Debatte so heftig wurde, vertagten die Botschafter die Entscheidung.

Noch am Nachmittag desselben Tages kündigte Nato- Generalsekretär George Robertson seinen Rückzug vom Amt Ende des Jahres an, was dem Gefühl der Morosität im Bündnis nur noch mehr Aufschwung gab. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2003)