Hildegard Steger-Mauerhofer Halbe/Halbe - Utopie Geschlechter- Demokratie? 120 S., 16,50 Euro, ISBN 978-3-85286-156-2
Hildegard Steger-Mauerhofer
Foto: Angelika Zach

Nur wenige Wochen war die von Frauenministerin Helga Konrad initiierte Kampagne "Ganze Männer machen halbe/halbe" 1997 gelaufen – dann wurde die Ministerin abberufen, die Kampagne eingestellt. Erst 1999 sollte es Nachfolgerin Barbara Prammer gelingen, eine gesetzliche Regelung der partnerschaftlichen Teilung der Versorgungsarbeit zu erzielen.

Zehn Jahre nach der in Politik, Medien und Gesellschaft heftig diskutierten Medienkampagne hat Hildegard Steger-Mauerhofer in ihrem Buch "Halbe/Halbe - Utopie Geschlechterdemokratie?" die damaligen Ereignisse analysiert. Im Gespräch mit dieStandard.at schildert sie, was sie zum Schreiben des Buches bewegte, wie sie die Ereignisse rund um die Kampagne erlebt hat und warum sie "Halbe/Halbe" nach wie vor für sehr wichtig hält.

dieStandard.at: Was hat Sie dazu bewegt das "Halbe/Halbe"-Buch zu schreiben?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich habe vor meiner Pensionierung am Renner-Institut gearbeitet und in der dortigen Abteilung Frauenpolitik mit anderen Kolleginnen eine Frauendokumentation aufgebaut, in der wir Dokumente zu allen SPÖ-Frauenministerinnen gesammelt haben. Ich habe damals den Entschluss gefasst, wenn ich in der Pension bin, am Thema partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit zu arbeiten, weil mich die Ereignisse rund um die Kampagne "Ganze Männer machen halbe/halbe", die ich sehr nah miterlebt habe, sehr interessieren. Ich wollte mir anschauen, was genau damals passiert ist – warum es zur Abberufung von Helga Konrad kam und damit zum Abbruch der Kampagne und schließlich 1999 doch zu einem Gesetzesbeschluss.

dieStandard.at: Warum erscheint das Buch gerade jetzt?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Weil ich vor kurzem mit meinem Studium fertig geworden bin und es zeitlich, genau zehn Jahre nach der Kampagne, gerade wunderbar passt: Das Buch ist in Folge meiner Diplomarbeit zum Thema "Politik und das Private – Die politische Gestaltung der partnerschaftlichen Teilung der Versorgungsarbeit" entstanden. Das Renner-Institut hat mich dabei unterstützt, die Arbeit zu veröffentlichen, denn das Buch beschreibt ja auch einen Teil der Geschichte der SPÖ-Frauen.

dieStandard.at: Glauben Sie, dass es Ihnen gelungen ist, die Ereignisse trotz Ihrer Nähe zur SPÖ auch kritisch zu betrachten?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich habe mich im Buch sehr auf die Fakten bezogen, da der Grundstock ja meine Diplomarbeit ist, wo ich alles genau belegt habe. Es werden darin sehr wohl auch einige Männer der SPÖ kritisch zitiert. Ich finde es schade, dass viele Männer in der Partei noch nicht so weit sind, aber das sind ja viele andere Männer auch noch nicht – insofern ist das auch ein Spiegel der Gesellschaft.

dieStandard.at: Wie haben Sie die Kampagne 1997 erlebt?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Diese Kampagne hat damals enorm viel Staub aufgewirbelt – sie hat die patriarchale Männergesellschaft wie ein Blitz getroffen: Wie kann man nur eingreifen in das Private? Der Staat soll sich da nicht einmischen! Ein Gesetz zur Regelung der Versorgungsarbeit – nein, danke! Die konservativen Kräfte quer durch alle Parteien haben sich damals dagegengestellt – nur die Grünen haben Helga Konrad unterstützt. Die SPÖ hat sich zwar immer hinter die SPÖ-Frauen gestellt, aber es hat auch dort Männer gegeben, die gegen die Kampagne waren.

Einer damaligen Umfrage des Linzer market-Instituts zufolge ist die Kampagne acht von zehn Personen in Österreich aufgefallen; 55 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Männer mehr an der Hausarbeit beteiligen sollten. Nur ein Fünftel lehnte eine Teilung der Hausarbeit eindeutig ab.

dieStandard.at: Woran ist die Kampagne Ihrer Meinung nach gescheitert? War vielleicht einfach die Zeit noch nicht reif dafür?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich glaube, die Kampagne ist am massiven Widerstand innerhalb der SPÖ/ÖVP-Koalition gescheitert. Meiner Meinung nach ist der damalige Bundeskanzler Viktor Klima den Konflikten mit dem Koalitionspartner ausgewichen, indem er Helga Konrad als Frauenministerin abberufen und damit auch die Kampagne, die ja wesentlich länger und umfangreicher konzipiert war, nach nur sechs Wochen beendet war. Wenn es damals eine politische Allianz unter den Frauen gegeben hätte, gebündelt mit jenen fortschrittlichen Männern in den Parteien, die dafür waren, das hätte, glaube ich, Erfolg gebracht.

Die Zeit ist für dieses Thema, glaube ich, nie reif, man kann damit nicht warten: Man muss handeln. Der große Tumult, den die Kampagne ausgelöst hat, zeigt, wie schwierig es war, gegen die vorherrschenden Widerstände in der Politik, in den ExpertInnengruppen und auch in den Medien anzukämpfen. Die Medien haben meines Erachtens mit den Männern am Stammtisch gleichgezogen und für die Männerwelt Partei ergriffen: Es wurde ständig gegen die Kampagne geschrieben - Schlagzeilen von damals wie "Pascha muss jetzt Küche putzen" oder "Das Gesetz gegen Machos: Die Männer haben Angst" spiegeln das wieder. Hätte es ein Frauenmedium wie dieStandard.at damals schon gegeben, wäre das vielleicht anders gewesen!

dieStandard.at: Warum hat es Ihrer Meinung nach 1999 dann geklappt?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich denke, weil Barbara Prammer versucht hat, einen Kompromiss zu finden – das habe ich auch im Buch nachskizziert. Dabei hat sie sich bemüht, eine sprachlich entschärfte Formulierung zu finden, die nicht so provoziert hat wie "halbe/halbe" oder "50/50". Offenbar gelang es mit der Formulierung, die Ehe "unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich zu gestalten", die politischen Turbulenzen zu beseitigen.

Ganz wichtig ist, dass auch ins Ehegesetz Eingang gefunden hat, dass es eine schwere Verfehlung ist, wenn die Versorgungsarbeit nicht geteilt wird oder der Partner oder die Partnerin nicht mithilft. Das Ziel war, dass sich beide daran beteiligen und auch, wenn einer von beiden vorwiegend zuhause ist, der oder die Erwerbstätige mithilft.

dieStandard.at: Finden Sie, dass sich für Frauen in Bezug auf die Versorgungsarbeit in den vergangenen zehn Jahren viel verändert hat?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Nach einer in meinem Buch zitierten Studie des Frauenbüros der Stadt Wien aus dem Jahr 2005 verrichten noch immer acht von zehn Frauen die meiste Arbeit im Haushalt. 44 Prozent sind dabei gänzlich auf sich allein gestellt. 62 Prozent geben an, mit der Verteilung der Hausarbeit zufrieden bis sehr zufrieden zu sein, bei Frauen mit Kindern zwischen sechs und neun Jahren sind es aber nur 38 Prozent.

Die Soziologin und Professorin für Geschlechterforschung Angelika Wetterer subsumiert das Ganze unter dem Begriff "rhetorische Modernisierung": Die Gleichheit wird herbeigeredet, aber im Tun bleibt sie stecken. Sobald die Waschmaschine gekauft wird, und wenn das erste Kind da ist, seien die Verhältnisse wieder fast genauso wie früher. Frauenforscherin Gerda Lerner meint dazu, dass die Frauen diese hierarchischen, patriarchalischen Verhältnisse verinnerlicht haben und nur dann die Rollenklischees sprengen könnten, wenn sie ihre eigene Geschichte studieren.

Das Thema der partnerschaftlichen Teilung der Versorgungsarbeit darf aber meiner Meinung nach nicht den Einzelnen alleine überlassen werden – es müssen gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, weil es Unrecht ist, wenn Frauen gehindert werden, die gleiche Karriere zu machen, wie ein Mann und gegen Unrecht muss der Staat ankämpfen. Auch geschlechtssensible Pädagogik in den Kindergärten und Schulen, wo die geschlechtsspezifische "Aufteilung" und die Rollenklischees erlebbar werden, kann glaube ich sehr viel zur einer Veränderung in der Gesellschaft beitragen.

dieStandard.at: Glauben Sie, dass das Thema für verschiedene Generationen von unterschiedlicher Bedeutung ist?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich glaube, dass es auch bei der jungen Generation nach wie vor ein Problem ist, weil die Versorgungsarbeit die Frauen nach wie vor auch im beruflichen Weiterkommen einschränkt. Die Frage ist, wie weit sich die junge Generation solchen Konflikten aussetzt – viele haben Angst, dass daran die Beziehung auseinander gehen könnte. Frau und Mann müssen das aber einfordern und diskutieren.

Die einfachste Lösung für viele, die es sich leisten können, ist, sich eine Putzfrau zu nehmen. Meist sind das Frauen aus Osteuropa oder aus asiatischen Ländern und damit bleibt Hausarbeit wieder Frauenarbeit – nur, dass das Thema einen ethnischen Charakter bekommt, oder, wie Wetterer es sagt: Es kommt zu einer ethnisierten Umverteilung. An den Strukturen der Arbeitsteilung in der Familie hat sich nichts geändert.

dieStandard.at: Wie haben Sie persönlich das Thema "halbe/halbe" in Ihrer Ehe gelöst?

Hildegard Steger-Mauerhofer: Ich war immer berufstätig und habe sehr spät geheiratet und meine Tochter bekommen – ich hatte mit meinem Mann ausgemacht, wenn wir ein Kind wollen, dann müssen wir uns auch die Arbeit teilen. Mein Mann wäre auch in Karenz gegangen, aber es hat damals das entsprechende Gesetz zur Väterkarenz noch nicht gegeben.

Helga Konrads Ziel war es damals, Zeichen auf dem Weg der Geschlechterdemokratie zu setzen – demokratische Bestimmungen müssen nicht nur im Staat, sondern auch für das Zusammenleben gelten. Solange das nicht ausreichend der Fall ist und Frauen noch ungleich behandelt werden, wird das Thema halbe/halbe immer aktuell sein. Maßnahmen, die zur Geschlechterdemokratie führen, kann man nie genug setzen – da sind wir noch ziemlich am Anfang. (Isabella Lechner/dieStandard.at, 8. November 2007)