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In über 45 Staaten setzen Männer mit der weißen Schleife weltweit ein Zeichen gegen Männergewalt an Frauen.
Foto: ap
White Ribbon Österreich-Obmann Romeo Bissuti und Sozialminister Erwin Buchinger mit Plakaten der Aufklärungskampagnen von White Ribbon.
Foto: BMSK/HBF/Wenzel Andy
Das Logo der White Ribbon Campaign
Logo: www.whiteribbon.ca
Ingrid Olbricht
Wege aus der Angst - Gewalt gegen Frauen"
Beck, 2004
239 S., 17,90 Euro
Rosa Logar u.a.
"Gewalttätige Männer ändern (sich)"
Haupt Verlag, 2002
191 S., 24,90 Euro
Joachim Lempert u.a.:
"...dann habe ich zugeschlagen"
Gewalt gegen Frauen. Auswege aus einem fatalen Kreislauf
dtv, 1998
148 S., 9 Euro

Am 6. Dezember 1989 stürmt ein 25-jähriger Mann eine technische Schule im kanadischen Montreal und erschießt 14 Frauen, verletzt weitere schwer. Zuvor sperrt er die Frauen in einen Klassenraum, schreit: "Ich hasse Feministinnen" und eröffnet dann das Feuer. Ein Aufschrei geht durch Kanada, Gewalt an Frauen wird zum öffentlichen Diskussionsthema.

Zum Jahrestag des Massakers 1991 beschließt eine Gruppe von Männern, ihre Verantwortung für die Bekämpfung von Männergewalt an Frauen öffentlich zu zeigen: Gender-Forscher Michael Kaufman schlägt vor, ein offenes Zeichen zu setzen, das alle Männer tragen sollen, die Gewalt an Frauen ablehnen - die weiße Schleife, der White Ribbon, wird zum Symbol für eine Kampagne, der sich innerhalb weniger Wochen hunderttausende Männer in ganz Kanada anschließen.

Bis heute hat sich die White Ribbon Campaign (WRC) zur weltweit größten Männerinitiative gegen Männergewalt an Frauen in mehr als 45 Staaten entwickelt. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, unterstützt von öffentlichen Einrichtungen, Institutionen aus der Wirtschaft wie Privatpersonen. In Österreich ist White Ribbon seit 2000 aktiv: "Männergewalt an Frauen ist auch in Österreich ein alltägliches Problem", sagt Romeo Bissuti, Obmann von White Ribbon Österreich. "Schätzungsweise ist jede fünfte Frau hierzulande mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt durch einen nahen männlichen Angehörigen betroffen. 2006 mussten 3143 Frauen und Kinder in ein Frauenhaus flüchten, 7235 Gewalttäter wurden aus der Wohnung weg gewiesen - das sind zehn Wegweisungen pro Tag und 28 Prozent mehr als im Jahr 2005."

Partnerschaft statt Kontrolle

Der Fokus der Informationskampagnen von White Ribbon - die nächste Plakataktion startet am 7. Dezember - liege bei häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft: "Der Mann will durch Gewalt Macht und Kontrolle über seine Partnerin erhalten und ein Oben-Unten-Verhältnis schaffen - mit Gewalt versucht er, sie dazu zu bringen, zu tun, was er will. Durch Klischees und Sexismen wird dieses ungleiche Verhältnis noch verstärkt. White Ribbon zeigt als Gegenentwurf dazu gewaltfreie Partnerschaftlichkeit als Grundlage für eine gesunde Beziehung."

Die Plakatslogans der White Ribbon-Kampagnen wie "Meine Stärke tut niemandem weh" oder Promis wie Hans Krankl mit "Wer seine Frau schlägt, hat bei mir kein Leiberl" sollen zu Gewaltfreiheit motivieren und vermitteln, dass ein Mann auch ohne Gewalt ein "richtiger Mann" ist. Um Männer mit den Botschaften zu erreichen, sei es wichtig, diese positiv zu vermitteln, weiß Romeo Bissuti, denn: "Männer fühlen sich von Anti-Gewalt-Werbesujets, die sich an Frauen richten, kaum angesprochen: Slogans wie 'Wenn Liebe weh tut' oder 'Zum Geburtstag schenkt er ihr ein blaues Auge' erzielen bei ihnen kaum einen Solidarisierungseffekt. Manche fühlen sich nicht als Zielgruppe angesprochen, andere glauben, das Thema betreffe sie nicht, weil sie nicht das Opfer sind und manche empfinden diese Werbungen als 'Männerbashing', bei dem alle Männer als gewaltbereit in einen Topf geworfen werden."

Gewalt von Anfang an verhindern

Erstes Ziel von White Ribbon sei die Primärprävention, betont Bissuti. Generell gehe es darum, "den Diskussions- und Reflexionsprozess unter Männern über das Thema Gewalt in Gang zu bringen, die persönliche Verantwortung deutlich zu machen und weiteres Engagement zu bewirken". Natürlich sollen sich auch bereits gewalttätige Männer von den Plakaten angesprochen fühlen, so der WRC-Obmann, aber "die Kampagnen sollen schon das Auftreten einer ersten Gewalttat verhindern, indem wir versuchen, das Bild vom 'harten Mann' und damit die Einstellung von Männern zu verändern." Wer für sich selbst eine klare Entscheidung gegen Gewalt an Frauen treffe, strahle das auch aus und vermittle seine Haltung auch anderen Männern. Das Tragen der weißen Schleife unterstütze diese Einstellung nach außen hin, als sichtbares Zeichen für ein partnerschaftliches Bild zwischen Mann und Frau.

Die meisten Reaktionen von Männern auf die White-Ribbon-Kampagnen seien sehr positiv, sagt Bissuti - jene von gewalttätigen Männern sehr unterschiedlich: "Einige bekommen dadurch den Impuls, etwas verändern zu wollen, andere fühlen sich nicht angesprochen oder reagieren ablehnend, weil sie das Thema verdrängen oder verleugnen. Wieder andere verwenden psychische Gewalt als Androhung von körperlicher Gewalt, sehen sich aber nicht als Gewalttäter, weil sie nicht zuschlagen. Diese Männer nehmen nicht wahr, dass sie ihrer Partnerin Angst einjagen und Macht und Gewalt einsetzen, um Kontrolle zu erhalten. Sie wissen nicht, dass Sätze wie 'Wenn Du mich verlässt, bring ich dich um' bereits eine gefährliche Drohung sind, auf die drei Jahre Haft steht."

Mit Fachfrauen vernetzt

Großen Wert legen die Mitarbeiter von White Ribbon auf die Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen. Die Initiatoren der Österreichischen White Ribbon Kampagne etwa lernten sich über die Aktionsplattform Österreichischer Frauenhäuser kennen. Seither wird reger Austausch betrieben und die White Ribbon-Mitarbeiter holen sich die Expertise der Frauen zu speziellen Themen wie Gewalt gegen junge Frauen oder Migrantinnen. Auch die Plakatkampagnen werden gemeinsam abgestimmt. „White Ribbon ist eine große Unterstützung für uns in der Arbeit gegen Gewalt an Frauen", sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. „Die Mitarbeiter betreiben wertvolle Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, zum Beispiel in Schulen oder Jugendorganisationen." Zu den jüngsten gemeinsamen Aktionen zählen etwa eine Charity-Kunstauktion zugunsten der Frauen-Helpline oder der gemeinsame Aufruf an alle Parlamentarier zum Tragen des White Ribbon während der 16 Tage gegen Gewalt.

Auch Barbara Michalek, Leiterin des Wiener Frauennotrufs schätzt die Vernetzung mit White Ribbon, denn: "Die Arbeit gegen Gewalt an Frauen soll nicht nur ein Frauenthema sein - es ist wichtig, dass sich auch die Männer daran beteiligen." Durch die Zusammenarbeit könne auch die Opfer- und Täterarbeit verbessert werden.

An die Opfer denken

Das ist auch White Ribbon ein Anliegen, so Romeo Bissuti: "Von Gewalt betroffene Frauen müssen sich schon bei den ersten Warnzeichen Hilfe holen, anstatt zu schweigen. Im Schnitt braucht eine von häuslicher Gewalt betroffene Frau sieben Trennungsversuche, bis sie es schafft, von ihrem gewalttätigen Partner loszukommen. Sie sollte jedoch nicht fragen 'Was kann ich tun, dass es besser wird?' - diese Frage darf es für die Opfer gar nicht geben: Die Täter sind es, die sich ändern müssen." (Isabella Lechner, dieStandard.at/25.11.2007)