Eine Auswahl von Fanzines- zusammengestellt von Elke Zobl.
Elke Zobl

"Mach dein eigenes Zine!" - Kaum ein Heftchen, das unter diesem Label erscheint, enthält nicht den Aufruf der Herausgeberin, es ihr gleich zu tun: Den eigenen Alltag aufzuschreiben, andere an den Erfahrungen in Schule, Club oder Familie teilhaben zu lassen oder sich im Kampf gegen Sexismus und Rassismus beizustehen.

Was in Grrrl Zines an Inhalten auftaucht, ist bestimmt für FreundInnen und solche, die es werden könnten. Mittels Mailorder und Internet erreichen sie Gleichgesinnte auf der ganzen Welt. So verlinken Zines ganz nebenbei privat Erlebtes mit einer politischen Öffentlichkeit, die Mädchen und Frauen potentiell zu einer weltweiten Solidarität verhilft.

Gegenöffentlichkeit

Seit gut 15 Jahren ist das "Zine" - abgeleitet vom Begriff Fan Magazine - aus jungfeministischen Zusammenhängen nicht mehr wegzudenken. "Viele Mädchen und junge Frauen sehen sich und ihre Interessen in der Gesellschaft und in den Massenmedien nicht oder missrepräsentiert. Sie wollen ihre Standpunkte darstellen und Bilder, Inhalte und Netzwerke nach ihren eigenen Vorstellungen und Visionen entwerfen", erklärt Elke Zobl, Betreiberin des Online-Archivs "Grrrl Zine Network", im Gespräch mit dieStandard.at. Die daraus entstehende Kulturproduktion könne als ein Protest gegen das verzerrte und idealisierte Bild von Mädchen und Frauen in den Medien gesehen werden.

Elke Zobl, die auch kulturwissenschaftlich zum Thema forscht, sieht im Zine-Wesen durchaus Parallelen zu den Frauenzeitschriften der historischen Frauenbewegungen: "Seit dem Beginn der Frauenbewegungen haben Feministinnen ihre Anliegen in Untergrund-Magazinen, Pamphleten und Flyern kundgetan". Die Verbreitung solcher Inhalte geschieht heute einerseits durch Zines, aber natürlich auch über das Internet. Warum die handkopierten, meist mit Schere und Klebstoff zusammengebastelten Hefte nicht schon längst von Blogs, Chats, Websites und Newsletter-Versand verdrängt wurden, deutet auf ihre spezifische Qualität und ihre Verschränkung mit dem unmittelbaren Lebensraum der Leserinnen hin: "Print-Zines können auch in der U-Bahn oder im Bett gelesen werden," weiß Elke Zobl.

Differenzen zwischen Frauen

Was die inhaltliche Ausrichtung betrifft, so variiert diese beträchtlich: Zine-Schreiberinnen behandeln Musik, Popkultur und Bastel-Anleitungen, setzen sich aber auch mit größeren politischen Fragen auseinander. Elke Zobl kommt zu der Einschätzung, dass Grrrl Zines heute traditionelle Konzepte von Geschlechtsidentität und Sexualität infrage stellen und Überschneidungen von Feminismus und Queer sowie Transgender Themen begehen. Differenzen zwischen Frauen seien auf verschiedenste Weise Thema. "Es gibt zahlreiche Fanzine-Herausgeberinnen, die über die Verwobenheit von Ethnitzität, Rasse, Sexualität, Geschlecht und Klasse schreiben. Eine der am längsten aktiven ist Sabrina Margarita Alcantara-Tan, die in "Bamboo Girl" über ihre asiatisch-amerikanische Identität schreibt. Ganz zentral ist auch Mimi Nguyen, die zwei Ausgaben der Zine-Anthologie "evolution of a race riot" mit Texten von und für 'people of color' als historisches Dokument und als Netzwerktool herausgebracht hat".

Gewalterfahrungen

Der Thematisierung persönlicher Erfahrungen sind in Zines keine Grenzen gesetzt. Gerade der tabulose aber auch geschützte Rahmen von Zines ermöglicht es Mädchen und Frauen, das aufzuschreiben und zu "loszuwerden", was sie sonst für gewöhnlich verschweigen. Die Zine-Produzentin Elena Stöhr hat 2005 etwa ein 100-Seiten starkes Heft publiziert, das sich ausschließlich mit Erfahrungen von sexualisierter Gewalt beschäftigte. Die heilende Kraft des Schreibens sieht die Kölnerin vor allem in der "Möglichkeit, aktiv zu werden und mit meinen Ängsten und meiner Wut besser umgehen zu können." Dinge aufzuschreiben fungiert dabei als Ventil, um das Erlebte reflektieren, verarbeiten und vielleicht auch hinter sich lassen zu können: "Das Schreiben ist auch ein Weg des Ausdrucks, ohne mich ständig erklären oder rechtfertigen zu müssen," präzisiert sie gegenüber dieStandard.at.

Auf die Idee zu "It's not just boys' fun #4" kam sie, nachdem in der Nähe des Hauses, in das sie gerade eingezogen war, eine Frau vergewaltigt wurde. "Die Stelle, an der es passiert war, konnte ich aus dem Fenster sehen. Das Thema Vergewaltigung war ab diesem Tag für mich plötzlich nichts mehr, was ich aus den Nachrichten kannte, sondern etwas, das mich tagtäglich begleitete. Besonders schlimm fand ich Berichte in den lokalen Nachrichten, die zu verstehen gaben, dass die Frau doch nachts nicht allein durch den Park gehen sollte und eventuell nicht laut genug um Hilfe geschrien hätte." Dieser implizierten Schuldzuweisung wollte Elena Stöhr einen Raum entgegenhalten, in dem Frauen geschützt über ihre Erfahrungen berichten konnten. Dem Aufruf in einem einschlägigen Online-Forum folgten dann auch zahlreiche Betroffene, die sich äußern wollten.

Repräsentation

Die zunehmende Thematisierung von Gewalt gegen Frauen in Massenmedien, vornehmlich zu Gedenktagen wie dem 8. März oder dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, beurteilt Elena Stöhr kritisch: "Natürlich ist eine breitere Rezeption wünschenswert, aber es kommt auch auf den Umgang an. Wenn Frauen weiterhin Schuld suggeriert oder die Angst den Täter anzuzeigen durch die Berichterstattung noch verstärkt wird, ist eine öffentliche Diskussion mehr als kontraproduktiv."

"Das Schweigen zu durchbrechen" war auch Ziel eines anderen Zines von Elke Stöhr. In "Some wounds never heal" - Teil drei der "It's not just boys' fun"-Serie - verarbeitete sie die Erfahrungen und Ängste ihrer eigenen Brust-OP. "Ich habe versucht, die ganze Geschichte zu erzählen - von dem Tag, an dem der Tumor entdeckt wurde bis zu dem Tag, an dem ich schließlich anfing alles aufzuschreiben". Am Ende dieses Zyklus stand für Elena Stöhr die befriedigende Erkenntnis: "Das Schreiben hat mir mehr geholfen, als jedeR PsychotherapeutIn der Welt." (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 29.11.2007)