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Einen Moment lang habe er gezögert, als man ihm den Job des geschäftsführenden Chefredakteurs der "Kronen Zeitung" angeboten habe, erzählt Michael Kuhn: Am Montag dieser Woche ließ Hans Dichand ihn als Wunschkandidaten in Essen beim deutschen Hälfteeigentümer WAZ vorstellig werden. Als eine Entscheidung verlangt war, überlegte Kuhn kurz: "Ich dachte, jetzt kann ich noch zurück." Schließlich hätten aber doch Vernunft, Herz und ein "Minifuzerl Eitelkeit" gesiegt: "Es ist ein Höhepunkt."

Mit Michael Kuhn tritt ein langjähriger Wegbegleiter der "Kronen Zeitung" das Hälfteerbe des "Monarchen" Hans Dichand an. Der 65-Jährige ist ein Mann des Vertrauens, in dem sich beide Parteien, sowohl WAZ als auch Dichand, finden können. Mangelnde journalistische Erfahrung - wie seiner zweiten Hälfte, Christoph Dichand - kann ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden.

Seine Laufbahn begann der gebürtige Wiener als freier Mitarbeiter der "Wiener Illustrierten", beim "Wiener Montag" und beim ÖVP-Blatt "Neue Österreichische Tageszeitung". "Unheimlich stolz", bei einer Zeitungsgründung dabei sein zu können, wechselte er im Jahr 1959 - gleich in der Funktion des Sportressortchefs - zur "Kronen Zeitung".

Sechs Jahre später ereilte ihn der Ruf des Fernsehens, dem er fast dreißig Jahre als TV-Kommentator, hauptsächlich von Fußballspielen und Skirennen, treu blieb. Zur Trennung kam es, als der damalige Intendant Gerd Bacher die Verquickung zwischen "Krone" und ORF mit einem Mal für "unvereinbar" erklärte. Kuhn bedauert noch heute die Art der Verabschiedung in Form eines "Schimmelbriefs".

"Exzellenter Boulevardjournalist"

Groll hegt er gegen Bacher aber keinen mehr. Noch immer hängt über seinem Schreibtisch ein Bild von der Ski-WM 1982 in Schladming, auf dem er den US-Skirennläufer Phil Mahre interviewt. Unterzeichnet von sämtlichen Ressortkollegen im ORF. Er sei nun einmal nicht nachtragend, und innerlich habe er sich "ohnehin immer als Zeitungsmensch" gefühlt, meint Kuhn.

Von Kollegen als "exzellenter Boulevardjournalist" geschätzt, gilt Michael Kuhn gemeinsam mit dem ORF-Sportchef Elmar Oberhauser als eine der Schlüsselfiguren im heimischen Sportgeschäft, der seine Kontakte für das eigene Blatt nicht nur redaktionell, sondern auch im Anzeigenbereich geschickt zu nutzen weiß.

Die "Krone"-Horoskope seiner Frau Helga verschmäht der Vater einer 39-jährigen Tochter nach eigenen Angaben konsequent. Und so sind es auch weniger die Sterne als mehr das eigene Gespür, das ihn zur Prognose seines nunmehrigen Partners, Christoph Dichand, verleitet: Der Junior werde, so gibt sich Kuhn überzeugt, ohne seinen Vater in allem freier sein. (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe vom 29.1.2003)