Jetzt, wo die Möglichkeit einer grünen Regierungsbeteiligung greifbarer als je zuvor ist, wird ein deutliches Manko der Grünen sichtbar, das die Präsenz des gelehrten Volkswirtschaftsprofessors an der Spitze bisher gnädig zugedeckt hat: das riesige Defizit der Ökopartei bei realer Wirtschaftspolitik.

Zwar gibt es einige theoretische Ansätze wie etwa durchaus entwickelte Konzepte einer "ökosozialen Steuerreform" (bemerkenswert der schwarz-grüne Gleichklang schon vor der Wahl). Aber damit kann man bestenfalls eine Richtung abstecken. Welche Budgetpolitik, Höhe der Abgabenquote, mögliche Steuerreform, Rolle des Staates in der Industrie oder Aufwendungen für Infrastruktur in den nächsten paar Jahren konkret verfolgt werden sollen, wissen wir von den Grünen bisher nicht.

Dazu kommt eine strukturelle Schwäche der Grünen: In ihrer Partei findet sich - anders als in den anderen Parteien - praktisch kein Personal mit Erfahrung in der Wirtschaft, wenn man einmal von Trafikanten absieht, die Bezirksvorsteher wurden. Interessanterweise verläuft der Weg eher umgekehrt, von grüner Politik in die Privatwirtschaft wie etwa bei der früheren Umweltsprecherin Monika Langthaler.

Aber richtig genutzt, kann diese Schwäche eine Chance für die Grünen in der Regierung sein. Frei von festgefahrenen Positionen, könnte die neue Rolle dazu genutzt werden, wirtschaftspolitisches Handwerk zu lernen - und dabei neue Fantasie einzubringen, an der es den Grünen in der Regel nicht mangelt. Das ist nicht ohne Risiko für eine künftige Regierung, aber auch riskant für die Grünen, denen die regierungserfahrenen Schwarzen wohl nur zu gerne ihre alten Rezepte beibringen wollen. Aber ohne Risiko können eingefahrene Bahnen kaum verlassen werden - das wäre es allemal wert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 8./9.2.2003)