In sowjetischer Zeit war dieses Gebiet nur für Gruppen unter der Aufsicht strenger Intourist-Führer zu besichtigen. Heute hat sich das gründlich geändert. Überall auf den Straßen werden Touristen gastfreundlich willkommen geheißen. Niemand hindert einem auch die Schattenseiten der jüngsten Vergangenheit zu entdecken und bei den vielen Einladungen zum Tee wird auch schon manchmal Kritik an der Gegenwart geäußert.

Hier lag, von China kommend, die Hauptroute der Seidenstraße. Die heutige Hauptstadt Taschkent, und die alten Oasenstädte Samarkand, Buchara und Chiwa bildeten wichtige Stützpunkte für die zahlreichen Karawanen, welche Seide, Purpur, aber auch Glas von China ans Mittelmeer transportierten. Dieser blühende Handel brachte den großen Reichtum und damit die teilweise noch erhaltenen großartigen Bauten, sie begründete den sagenhaften Ruf dieser Metropolen im damaligen Europa.

Allerdings wurden über diese Wege nicht nur Waren ausgetauscht, sondern sie schlugen auch eine Brücke zwischen Ost und West: So gelangte der Buddhismus von Indien nach China oder die Kenntnis der Papierherstellung aus China in den Nahen Osten und von dort nach Europa.

Samarkand

Die Stadt Timur Lenks: In zahlreichen Gedichten wird sie als „Antlitz der Erde“ oder „Paradies des Orients“ bezeichnet. Unter dem berühmten, aber grausamen Timur erreichte sie Weltruf. Er machte sie zur Hauptstadt seines Riesenreiches und ließ von gefangenen Baumeistern und Künstlern aus eroberten Ländern eine Metropole errichten, die alle anderen in den Schatten stellen sollte.

Heute prägt aber eher der sowjetische Einfluß das Bild und nur mehr einige wenige Erinnerungen an die alte Zeit haben die jüngste Geschichte überlebt. Die Sehenswürdigkeit, die alle Besucher quasi magisch anzieht, ist der berühmte Registan: Auf diesem Platz befand sich das Zentrum hier kreuzten sich alle Wege der mittelalterlichen Welt. Hier vollzog man Hinrichtungen, verlautbarte Erlässe und trieb Handel.

1420 begann der Bau der „Ulug Begh Medresse“, einer bedeutenden Koranschule, welche vom Sohn Timurs erbaut wurde. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kamen die „Medresse Schir-Dor“ und die „Medresse und Moschee Tilja Kari“ hinzu. Obwohl 300 Jahre später errichtet, fügen sie sich perfekt in das bestehende Bauensemble ein und bilden somit heute wohl einen der schönsten islamischen Plätze der Welt. Besonders in der warmen Abendsonne ist man von den herrlichen Fliesenmustern und den Goldverzierungen geblendet.

Nicht weit von diesem Ort ist der berühmte Timur unter einer lasurblauen gerippten Kuppel begraben. Seine letzte Ruhestätte fand der so ruhelose und gefürchtete Herrscher hier an diesem harmonischen Platz. Auf dem Weg zur Ruine der „Bibi Chanum Moschee“, begegnet man Vertretern der über 120 verschiedenen Völker Usbekistans.

Auffallend ist der Unterschied zwischen den traditionell gekleideten Usbekinnen und den in Minirock gehüllten Russinnen. Die „Bibi Chanum“ war einst die größte Moschee der Welt, die große Kuppel stürzte aber bald nach ihrer Fertigstellung ein. Trotzdem beeindruckt das wiederhergestellte imposante Eingangstor und die noch erhaltenen Mosaike. Gleich daneben findet man den lebendigen Kolchosmarkt.

Früher war das der Markt, wo die landwirtschaftlichen Produkte der einzelnen Kolchosen verkauft wurden. Heute beherrschen aber private Händler den Markt. In einer überdachten Halle findet man Gemüse, Obst, Gewürze und Nüsse. Im Freien haben Fischhändler, Brotverkäufer und Tabakhändler Platz gefunden. Das Angebot an Nahrungsmittels ist gut und groß, die Preise aber für die meisten Leute zu teuer. Das Einkommen eines Universitätsprofessors beträgt rund 30 Dollar im Monat, ein Kilo Fleisch kostet 10 Prozent seines Gehaltes.

Ein ganz anderer Markt findet jeden Freitag und Sonntag im jüdischen Bezirk statt. Zuerst geht man durch ein Gewirr von kleinen Straßen, die Häuser unterscheiden sich durch nichts von denen in den usbekischen oder tadschikischen Stadtvierteln. Aber dann kommt man in eine Gasse, wo ausreisewillige Juden ihr gesamtes Hab und Gut auf der Straße ausgebreitet haben. Die meisten Leute werden in den nächsten Wochen das Land verlassen, um in Israel einen neuen Anfang zu probieren. Obwohl es hier in Samarkand keine Probleme für Juden gibt, möchten doch fast alle die neue Freiheit nützen und der miserablen wirtschaftlichen Lage und der unsicheren Zukunft entgehen. In der Synagoge findet man kaum mehr Gläubige, nur mehr alte und kranke Angehörige der Gemeinde sind noch hier, über 75 % seien bereits gegangen.

Buchara

Vier Autobusstunden von Samarkand entfernt, liegt Buchara, deren Altstadt ein einzigartiges Museum ist. Das ist dem Umstand zu verdanken, daß man in sowjetischer Zeit hier im Gegensatz zu Samarkand der heiligen Stadt keine Bedeutung mehr zukommen lassen wollte und 20 km daneben eine neue, russische Stadt, Kagan, gründete. Die Altstadt Bucharas fasziniert also durch ein Gewirr von schmalen Gassen mit geschnitzten Eingangtüren und Kuppelbazaren an den Wegkreuzungen. Hier fühlt man sich wirklich in die große Zeit der Karawanen zurückversetzt. Alte Sagen und Mythen scheinen förmlich in der Luft zu liegen. Auffällig sind die vielen Medressen.

Im Mittelalter studierten hier weltberühmte Weise, Philosophen und Denker. Erst nach 15 Jahren des Studiums des Korans und Seminaren in Logik und Poetik konnte man damals zum Imam einer Moschee geweiht werden. Zwei Gelehrte, welche auch im Westen bekannt wurden, sind besonders zu erwähnen: da ist zuerst Abu Ali ibn Sina, im Westen Avicenna genannt, der die europäische Medizin im Mittelalter ganz wesentlich beeinflußt hat und dann der Dichter Rudaki, dessen Werke auch in europäische Sprachen übersetzt wurden. Das heimliche Zentrum Bucharas ist der Platz um den Labi-Chauz. Rund um ein großes Wasserbasin, welches früher der Versorgung mit Trinkwasser diente, liegen drei berühmte Medressen – die „Nadir Divanbegi,“ die „Kukuldash“ und die „Nadir Divanbegi Khanaka“.

Uralte Platanen spiegeln sich im Wasser. An niederen Tischen sitzen alte Männer in ihren traditionellen Mänteln und Kappen und trinken Tee. Das Nationalgericht Usbekistans, der Pilaw – ein Gericht aus Hammelfleisch, Reis, Gemüse und speziellen Gewürzen – lädt zu einer kurzen Pause ein, bevor es zum eigentlichen Wahrzeichen Bucharas, dem „Kaljan Minarett“ geht. Es wurde 1127 an Stelle von zwei Minaretten errichtet und ist mit Sicherheit das schönste Zentralasiens: die strengen Proportionen werden nur durch Bänder aus Ornamenten unterbrochen.

Oben befindet sich eine reich verzierte Kanzel für den Vorbeter. Von hier oben soll man früher die Verbrecher hinuntergestürzt haben. Gleich dahinter kann man die große Freitagsmoschee aus dem 15. Jahrhundert besichtigen. Gegenüber der Moschee findet sich die bedeutendste Medresse des Landes, die „Mir Arab“ aus dem Jahr 1535. In der Burg von Buchara hat bis ins 20. Jahrhundert der Emir gelebt und im Park gegenüber liegt das älteste Bauwerk der Stadt, das Mausoleum „Ismail Samanis“ aus dem Jahr 905. Das erste mittelalterliche Gebäude aus gebrannten Ziegel stellt ein Meisterleistung der Architektur dar und wird auch heute noch zum Gebet aufgesucht, weil das Anbeten der Heiligen in Zentralasien noch immer weit verbreitet ist.

Am Basar bei der alten Stadtmauer finden Hahnenkämpfe statt. Nur Männer drängen sich um den Platz und diskutiert lautstark die einzelnen Kämpfe. Es wird gewettet und die Hähne frenetisch angefeuert. Die Kämpfe dauern normalerweise nicht sehr lang und enden auch nicht tödlich. Bereits nach wenigen Minuten ergreift einer der Hähne die Flucht und der strahlende Besitzer kassiert seinen Gewinn.

Ein paar Meter weiter gibt es bunte Teppiche, die traditionellen Kappen, schillernde Seidenstoffe und Schaschlik mit Schaffett und Brot. Über all dem liegen Gerüche und das laute Feilschen eines orientalischen Marktes. Bei einigen Ständen gibt’s den zu Recht gefürchteten „Feinsprit 96%“! Am anderen Ende des Bazars hat ein Wanderzirkus die Besucher in seinen Bann gezogen. Zuerst treten bunt geschminkte Clowns auf und erheitern das Publikum, dann werden akrobatische Kunststücke am Hochseil, ohne Netz, gezeigt. Der Höhepunkt ist aber die sogenannte Lastautonummer: Ein kräftiger Athlet legt sich flach auf den Boden und man breitet von beiden Seiten ein dickes Brett über ihn. Danach fährt dann ein Lastwagen langsam über ihn hinweg.

Das Publikum hält den Atem an, aber der Mann erleidet keinerlei Schaden. Er steht danach auf, schüttelt sich und zeigt dem erleichterten Publikum seinen nackten, unversehrten Oberkörper. So unglaublich diese Begebenheit auch immer sein mag, ist sie phantastischer als die Geschichten Scheherezades aus Tausend und einer Nacht? (DER STANDARD, Printausgabe 1997)