Denken an Cindy Sherman: Aneta Grzeszykowska, "Untitled Film Still #6", 2006
Neues aus dem Fundus: In der Grazer Camera Austria werden erstmals zwei künstlerische Positionen gemeinsam gezeigt

Graz - Nach Jahrzehnten der Ausstellungstätigkeit leistet sich die Camera Austria eine Premiere und präsentiert erstmalig zwei künstlerische Positionen gemeinsam. Mit Prinz Gholam und Aneta Grzeszykowska fiel die Wahl auf ein Künstlerpaar bzw. eine Künstlerin, die sich mit der Reinszenierung bereits vorhandener Werke auseinandersetzen.

Aneta Grzeszykowskas Serie Untitled Film Stills (2006) trägt nicht von ungefähr diesen Titel, hat sie sich doch der gleichnamigen Serie Cindy Shermans aus den Jahren 1978-80 angenommen und diese unter Beibehaltung des kleinen Formats, ja sogar der Rahmung sowie der peniblen Inszenierung mit Requisiten neu interpretiert. Es bleibt jedoch nicht bei einer 1:1-Wiedergabe eines existierenden Kunstwerks, das in der Kunstgeschichte seinen unanfechtbaren Platz eingenommen hat, sondern erfährt durch die Umsetzung in Farbe sowie kleine Brüche in der Darstellung eine völlig neue Aussage.

Dass diese Brüche nicht offenkundig aus den Fotografien herausstechen, sondern sich mit minimalen Mitteln, dafür aber umso eindrücklicher lesbar machen, steht für eine der Qualitäten dieses Werkzyklus. So ist ein Brief, den die Protagonistin in Händen hält, in polnischer Sprache gehalten, oder ein mondäner Handspiegel wird zu einem abgebrochenen, verchromten Autorückspiegel. Auch die Hinterfragung der Rolle der Frau ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine andere, als sie in den 1970ern im Rückblick auf die 1950er- Jahre war. Und so kommt es bei aller Identität zu einer selbstständigen und im Themenkreis des Re-Enactments sehr berechtigten Arbeit.

Prinz Gholam hingegen nehmen das Motiv des klassischen Tableau vivant auf. Sie stehen hiermit in einer Tradition, die bereits zu Zeiten Goethes ihren Anfang genommen und mit der Fotografie ein Medium der Darstellung gefunden hat. Ein weiteres Motiv bei Prinz Gholam ist, dass sie völlig auf Requisite verzichten und in "normaler" Kleidung auftreten. Sie spielen des Weiteren mit dem Wechsel der Geschlechterrollen, der bereits von Claude Cahun oder Gertrud Arndt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgegriffen und ins Bild gesetzt wurde. Dabei verzichten sie ebenso auf die Maske. Sie heben den Geschlechterbegriff sogar völlig auf, indem sie - zwei Männer - sowohl als Frauen als auch als Männer auftreten. Hier wird der Humanist im Betrachter herausgefordert, denn man muss die Kunstgeschichte schon sehr gut kennen, um genau herauszulesen, aus welchen Kunstwerken die Posen stammen, die von Prinz Gholam in Fotografie und Performance dargestellt werden.

Die Übersiedlung in neutrales Ambiente ohne Requisite und der Verzicht auf Maske bzw. die Aufhebung des Geschlechterbegriffs erleichtern die Sache durchaus nicht. Prinz Gholam bedienen sich nicht nur des Mediums Fotografie, sondern auch der Performance, mit der sie, in einer Abfolge von Posen, fast schon als lebende Figura serpentinata bezeichnet werden können. Mit der Performance Ein Ding mehr zollen sie jenem Künstler Tribut, der das Tableau vivant filmisch umgesetzt hat: Pier Pablo Pasolini. Die Ouvertüre bilden Posen aus Pasolinis Film Saló o le 120 giornate di Sodoma, in dem Pasolini zum wiederholten Male auf den kunsthistorischen Bilderkanon zugreift. (Nora Theiss, DER STANDARD/Printausgabe, 01.04.2008)