Frauen haben laut Tillmann auf den Rängen der Fußballstadien keine Chance, den Schmähungen der Männer zu entkommen - es sei denn, sie würden zu "geschlechtsneutralen Kumpels" mutieren.
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Wien - Sonntag, 30. September 2007: Im Fußballstadion von Shanghai sitzen 34.000 ZuschauerInnen, Deutschland besiegt Brasilien 2:0 und wird abermals Weltmeisterin. Torschützinnen: Prinz und Laudehr.

Wer? Birgit Prinz und Simone Laudehr.

Frauenfußball ist längst in der Lage die Massen zu mobilisieren. Dennoch: Das ewige Vorurteil, das weibliche Geschlecht und die Kickerei seien nicht kompatibel, existiert immer noch.

Die Dresdner Sozialwissenschafterin Angela Tillmann hat sich auf Ursachenforschung begeben - und hat viele entscheidende Fakten aufgedeckt. Grundsätzlich gelte es zu unterscheiden: nämlich in Groupies, Fans und Spielerinnen.

"Wir geben ihnen das Klischee"

Erstere bedienen das klassische Klischee, eher an der äußeren Erscheinungsform von Beckham & Co interessiert zu sein. Mit diesem "Groupie-Verhaltensrepertoire" werde eine "ganz eigene weibliche Fußballwelt" kreiert, man begegne dem Vorurteil offensiv und pflege mit ihm einen ironischen Umgang. Bestes Beispiel dafür ist der Kölner Frauen-Fanclub "Always Ultras", die regelmäßig den "Mr. FC Köln" wählen. Tillmann zitiert dazu eine Veranstalterin, die frech verkündete: "Die wollen das Klischee, wir geben ihnen das Klischee."

Männer verteidigen Revier

Viel schwieriger hätten es da schon jene Frauen, die sich für das Spiel an sich interessieren. Selbst die wohl freundlichste Bemerkung, die viele Männer garantiert sogar als Kompliment sehen - "für eine Frau kennst du dich ganz schön gut aus" -, beinhaltet ein über viele Jahrzehnte gewachsenes und gepflegtes Präjudiz.

Männer wollen, so Tillmann, beim Fußball lieber unter sich bleiben, nicht nur auf der Tribüne, sondern auch vor dem Fernseher: "Sie fühlen sich dazu genötigt, ihr Revier zu verteidigen. Dabei greifen sie nicht selten zu unlauteren Mitteln, z. B. in dem sie versuchen, sich die Mädchen und Frauen durch sexistische Sprüche vom Hals zu halten."

Sexismus verharmlosen oder verdrängen

Frauen haben auf den Rängen der Fußballstadien keine Chance, den Schmähungen der Männer zu entkommen - es sei denn, sie würden zu "geschlechtsneutralen Kumpels" mutieren. Tillmann meint damit ein bewusst nicht-weibliches Auftreten, die Aneignung männlicher Verhaltensmuster, mitzureden, mitzulachen, mitzugrölen, nicht "hilflos" oder "zickig" rüberzukommen. Die Gefahr, die dabei bestehe, sei, dass weibliche Fans den herrschenden Sexismus verharmlosen oder verdrängen müssen.

"Prachtvolle Körper"

Diese Verhaltensmuster - egal ob auf der Tribüne oder auf dem Rasen - seien nicht neu, sagt Tillmann und verweist auf die Entwicklung von Frauenfußball im 20. Jahrhundert. 1927 etwa schrieb das "Illustrierte Sport-Blatt", eine durchaus nicht stockkonservative Wiener Sportzeitung, das Terrain des Frauensports sei nicht der Wettkampf, sondern das Training, wo die Ästhetik besonders zur Geltung komme: "Ihre prachtvollen Körper zeigen dann das vollendete Spiel weiblicher Naturkraft."

Nazi-Gegenargumentation

In Österreich existierte zwar schon in den 30er Jahren wettbewerbsmäßig ausgetragener Frauen-Fußball, die Nazis machten diesem jedoch schnell den Garaus. Durch das Springen und Beinspreizen, so knüpften die Nazis an eine schon vor dem Krieg gängige Argumentation an, könnten die weiblichen Sexualorgane aus ihrer Lage gebracht und das Becken deformiert werden, so dass die Hauptaufgabe der Frau, das Gebären von Kindern, gefährdet wäre.

Doch die Frauen ließen sich trotzallem die Freude am Fußball nicht nehmen. Vor allem nach dem WM-Titel Deutschlands 1954 gab es einen regelrechten Boom. Dennoch dauerte es in Deutschland bis zum Oktober 1970, bis der DFB die Förderung von Frauenfußball offiziell in seine Satzung aufnahm - allerdings mit Sonderregeln: Kleinere Fußbälle, Verbot von Stoppelschuhen, verkürzte Spielzeit usw.

Handeln in Männerdomäne hochgradig ambivalent

Tillmanns Resümee: "Mädchen und Frauen, die sich auf einen Männersport wie den Fußball einlassen, werden weiterhin mit Vorurteilen und Diskriminierungen verschiedener Art konfrontiert. Dadurch, dass geschlechterstereotype Normen und Erwartungen wirksam sind, ist das Handeln in dieser Männerdomäne noch in hohem Maße ambivalent." Doch nicht zuletzt der WM-Titel der deutschen Frauen im Vorjahr habe dazu beigetragen, "dass immer mehr Frauen die Fußballleidenschaft für sich entdecken - und sich auch zunehmend mehr Männer für die Verbindung Frauen und Fußball begeistern können". (APA)