Forscherin, Managerin, Gattin, Mutter: Eva Prieschl-Grassauer lebt vor, was alles geht - und entwickelt neue Medikamente auf der Basis von Rohstoffen aus dem Meer.
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STANDARD: Was tun Sie eigentlich?

Prieschl-Grassauer: Gute Frage. Unser Forschungsunternehmen ist ein Spin-off der Veterinärmedizinischen Universität Wien, das wir zu viert aufgebaut haben. Ein Tierarzt, ein Meeresbiologe, mein Mann, der Virologe ist, und ich als Biologin. Aus dieser fachlicher Zusammensetzung ergibt sich schon fast zwangsläufig unser Tätigkeitsfeld: Es geht uns darum, aus marinen Ressourcen neue Therapeutika für die großen und zunehmend problematischer werdenden Bereiche Virologie und Immunologie zu entwickeln und dabei interdisziplinär auf der pharmazeutischen Seite zu arbeiten.

STANDARD: Und welche Therapeutika kommen dabei heraus?

Prieschl-Grassauer: Bisher haben wir ein Produkt entwickelt und mit dem österreichischen Unternehmen Sigmapharm Arzneimittel GmbH auf den Markt gebracht. Das ist ein Nasenspray, der einen Extrakt aus einer Rotalge enthält und vor Schnupfenviren schützt beziehungsweise die Zeit des Schnupfens, wenn man ihn sich schon eingefangen hat, deutlich verkürzt. Speziell entwickelt wurde der Nasenspray gegen zur Grippesaison weit verbreitete Rhinoviren, aber auch gegen respiratorisches Synzytialvirus und Parainfluenzaviren zeigt er Wirksamkeit.

STANDARD: Wie forscht man eigentlich nach maritim-basierten Arzneien? Sie können ja nicht das ganze Meer nach möglichen Pflanzen abtauchen und dies dann testen.

Prieschl-Grassauer: Dazu gehören zum Teil Glück, zum Teil Intuition und zu einem guten Teil bereits vorhandene Daten über Meeresorganismen. Letztere haben uns sehr geholfen, relativ schnell auf den Extrakt aus der Rotalge aufmerksam zu werden. Und als wir diesen dann getestet haben, hat sich seine Wirksamkeit gezeigt. Aber generell kann es natürlich nur so sein, dass sie sich auf ein spezielles Habitat oder eine bestimmte Artengruppe konzentrieren. Unser Focus liegt derzeit auf Korallentieren, hier haben wir langfristige Projekte geplant. Etwas weiter fortgeschritten ist jedoch ein anderes Projekt, das auf dem Extrakt einer ganz anderen Pflanze basiert und gegen Allergien zum Einsatz kommen soll.

STANDARD: Und warum versteifen Sie sich auf das Meer und nicht beispielsweise auf die Alpen?

Prieschl-Grassauer: Traditionell sind viele Therapeutika aus Landpflanzen hervorgegangen, vom Aspirin bis hin zum Digitalis. Landpflanzen sind sehr gut erforscht. Dies auch deshalb, weil der Zugang zu ihnen wesentlich einfacher ist. Obwohl es eine viel größere Artenvielfalt bei den Meerespflanzen gibt, finden sie kaum mehr als fünf derartige Präparate in den Apotheken. Wir sind sicher, dass hier ein großes Potenzial liegt, das man für die Menschen nutzen kann. Aber ich gebe schon zu, dieses Feld ist noch nicht sehr weit verbreitet. Interessant dabei ist ja der Umstand, dass die Meeresorganismen, die wir erforschen, kein Immunsystem haben und sich mit selbst generierten chemischen Substanzen gegen Schädlinge und Erreger schützen müssen. Und genau diese Substanzen versuchen wir, vereinfacht ausgedrückt, zu isolieren und für den Menschen nutzbar zu machen.

STANDARD: So exotisch Ihre Forschungen sind, so exotisch ist auch Ihre Stellung. Wie geht es Ihnen als Frau in der Männerwelt?

Prieschl-Grassauer: Ich persönlich habe bisher immer sehr gute Erfahrungen gemacht, wobei mir natürlich bewusst ist, dass ich hier tatsächlich eine Exotin bin. Nicht so sehr, weil ich als Frau in einem naturwissenschaftlichen Feld forsche, sondern weil ich darüber hinaus als Frau auch noch Geschäftsführerin bin. Das ist noch seltener, als Wissenschafterin zu sein.

STANDARD: Um dagegen anzukämpfen, haben viele Stellen, von den Gemeinden bis zum Ministerium, seit einigen Jahren gezielte Frauenförderungsprogramme im Bereich der Forschung laufen. Bringen die eigentlich was?

Prieschl-Grassauer: Ja, unbedingt. Wir haben als Firma von der Gemeinde Wien letztes Jahr ein Projekt im Rahmen des Förderprogramms FemPower des Zentrums für Innovation und Technologie zugesprochen bekommen. Dieses Programm richtet sich nur an forschende Frauen in leitenden Positionen. Forschungsunternehmen, die ihre wichtigsten Stellen nur mit Männern besetzt haben, schauen hier durch die Finger. Ich glaube schon, dass dieses Programm das eine oder andere Unternehmen dazu ermutigt, Frauen in Spitzenpositionen zu holen. FemTech, das Förderprogramm des Verkehrsministeriums, ist eher für die Bewusstmachung des Problems.

STANDARD: Frauen sind in der naturwissenschaftlichen Forschung immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Warum?

Prieschl-Grassauer: Das liegt weniger am mangelnden Interesse an der Thematik - mehr als die Hälfte der Biologiestudenten sind Frauen - als an den üblichen Karrierewegen in der Wissenschaft. Während bei Studienabsolventen der Frauenanteil noch recht hoch ist, sinkt er bereits beim Doktoratsstudium und dann noch dramatischer im Bereich Postdoc, Gruppenleiter, Laborleiter oder in ähnlichen Positionen. Häufig wird für dieses Phänomen die Gründung einer Familie verantwortlich gemacht, jedoch haben neuere Forschungsergebnisse auch gezeigt, dass Frauen zumindest teilweise einen anderen Zugang zur Verwertung ihrer Resultate haben. Die Studie zeigte, dass Frauen weniger, allerdings besser in renommierteren Journals publizieren. Die geringere Publikationstätigkeit ist allerdings für die akademische Forschung insoweit ein Problem, als dass die Anzahl der Artikel für die Besetzung einer Position oft entscheidend ist. Aber auf die Hälfte der Menschheit zu verzichten ist auch für Männer auf Dauer nicht sehr geschickt. (Die Fragen stellte Andreas Feiertag, DER STANDARD, Print, 25.6.2008)