Wenn Eva Glawischnig, die so verwirrend auf ältere katholisch-konservative Männer wirkt ("wunderschön, aber Marxistin"; soll wohl heißen: Weiche, Verführerin!); also, wenn Glawischnig im kleinen Kreis laut denkt, dann lässt sie beachtlichen Gestaltungs-und Machtwillen erkennen. Das Infrastrukturministerium mit seinen riesigen Zuständigkeiten, seiner grabenkampferprobten Hochbürokratie und den geballten Lobbyisten wäre ihr da zu einem gewissen Zeitpunkt schon recht gewesen, denn da könnte man endlich etwas für die Kostenwahrheit im Lkw-Verkehr tun (Übersetzung: ein ordentliches Roadpricing einführen).

Frau Glawischnig will also etwas Konkretes, wie schwierig das immer auch sein mag. Das ist einmal ein Vorteil, denn sonst weiß man wenig über die Pläne der Grünen, falls sie mit der ÖVP eine Regierungskoalition eingehen. Frauenfragen, Integrationsfragen, "Sicherung der Pensionen für alle", Klimaschutz, das sind so Überschriften. Konkreter wird es erst bei dem, was nicht sein darf: Abfangjäger, Studiengebühren, Temelín.

Um das klarzustellen: Wenn es halbwegs danach aussieht, als würde es nicht sofort ein Bauchfleck, sollten die Grünen die Koalition mit der ÖVP machen. Irgendwann müssen sie regieren lernen, oder, wichtiger noch, erleben, was es heißt, für seine Taten und Unterlassungen Verantwortung zu tragen.

Mit Rot-Grün wird es auf absehbare Zeit ohnehin nichts und an der Seite der ÖVP können sich die Grünen viel eher profilieren. Verwandtschaftsbeziehungen zur ÖVP existieren zwar auch - nicht zu Unrecht klagen hohe schwarze Politiker: "Meine Kinder wählen alle grün" - und die Grünen geben damit Schüssel und seinem Kurs eine gewisse Legitimation. Das könnte erstens aufrechte linke Grüne von der Partei vertreiben und zweitens eher bürgerliche Grüne zu der Meinung bringen, die ÖVP sei wieder wählbar.

Aber das müssen die Grünen lösen, wenn sie in der Regierung sind. Zunächst sollen sie sich klar werden, was sie in den nächsten Jahren eigentlich umsetzen wollen. Sie brauchen ein halbes Dutzend klar definierter Projekte, um einen erkennbaren Leistungsnachweis zu haben und nicht als bloße Mehrheitsbeschaffer zu versumpfen. Van der Bellen müsste etwa als Wissenschaftsminister eine sichtbare Verbesserung der Unis erreichen (bessere Studienqualität für die Studenten, bessere Qualität der Absolventen).

Sie sollten sich auch nicht mit machtlosen Zeitgeistressorts abspeisen lassen. Glawischnig sollte ein Frauenressort ablehnen; die wahre Gestaltungsmacht liegt in den klassischen Ressorts. Vielleicht sollten die Grünen das Justizministerium verlangen, um die rechtskonservative Unterwanderung dort zu stoppen.

Die großen Überschriften - "sichere Pensionen für alle, Frieden schaffen" - sind gefährlich vage. Wenn unter dem Pensionenthema eine für alle gleiche, für alle kleine "Volkspension" zu verstehen ist, dann reden wir über Jahrzehnte. Wenn es einen Irakkrieg, abgestützt durch eine zweite UN-Resolution gibt, dann werden die grünen Regierungsmitglieder die Überflüge und vielleicht sogar Durchmärsche des US-Militärs nicht verhindern dürfen - oder es ist gleich wieder aus mit der Koalition.

Um die Skepsis der eigenen Funktionärsbasis über-winden zu helfen (die Wähler der Grünen stehen möglicherweise einer schwarz-grünen Koalition gar nicht so negativ gegenüber), müssen Van der Bellen, Glawischnig und Co nicht nur die politisch korrekte Haltung einnehmen, sondern sich darauf konzentrieren, etwas auf den Boden zu bringen. hans.rauscher@derStandard.at (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.2.2003)