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Ein kindgerechter Schultag sollte wie in den meisten anderen europäischen Ländern erst um neun Uhr beginnen. Diese Forderung findet sich - unter Hinweis auf Schlafmediziner - in einer neuen Broschüre, die der Verein für Konsumenteninformation herausgegeben hat. Nirgendwo sonst startet die Schule so früh wie in Österreich: An manchen Standorten wird bereits ab sieben Uhr unterrichtet. Doch die vom STANDARD befragten Politiker aller Parlamentsparteien stehen einem späteren Schulbeginn skeptisch gegenüber. Denn viele Eltern würden ebenfalls sehr früh zu arbeiten beginnen.

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Wien - Die Leistungskurve von Schulkindern tendiere morgens um acht Uhr zum Tiefpunkt. Erst ab neun Uhr seien sie für den Lernstoff aufnahmebereit. Das ist die gewagte These in einem "konsument extra" über "Schlafstörungen", das der Verein für Konsumenteninformation soeben gemeinsam mit der deutschen "Stiftung Warentest" veröffentlicht hat. Man beruft sich auf Schlafmediziner.

Im internationalen Vergleich startet der österreichische Unterrichtsbeginn tatsächlich besonders früh (siehe Grafik). Im Bildungsministerium wird dies mit dem Hinweis verteidigt, dass der Arbeitsbeginn hierzulande generell früh stattfindet. An vielen Schulstandorten wird sogar die im Lehrerjargon "nullte Einheit" genannte Stunde zwischen sieben und acht genutzt. Doch das Schulzeitgesetz würde den Schulpartnern rein theoretisch auch einen späteren Schulstart - etwa um 8.30 Uhr - erlauben.

FPÖ: Obliegt der Eltern-Initiative

Hier hakt die FPÖ ein: Es obliege der Initiative der Eltern, sich an ihrer Schule durchzusetzen, wenn der Wunsch nach späterem Schulbeginn besteht, sagt FP- Klubchef Karl Schweitzer.

"Mehr Flexibilität" für die einzelnen Schulen wünscht sich auch SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl. Aber eine generelle Umstellung auf einen späteren Schulbeginn hält sie für schwierig. Einerseits müsse es dafür Ganztagsschulen geben - was die SPÖ absolut befürwortet. Andererseits hätten viele Eltern mit einem späteren Schulbeginn Probleme.

"Interdisziplinäres Nachdenken"

VP-Abgeordnete und Uni- Assistentin Gertrude Brinek wünscht sich ein "interdisziplinäres Nachdenken über die optimale Schule". Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass man zumindest an den hohen Schulen um acht Uhr gar nichts anzubieten braucht: "Das ist eine Studentenvertreibungszeit". Aber an der Schule? Grünen-Bildungssprecher Dieter Brosz findet zwar, dass man Hinweise auf den zu frühen Schulbeginn "ernst nehmen" sollte, meint aber im gleichen Atemzug auch, dass man "nichts aus der Hüfte schießen" sollte.

Fernsehen vor dem Schlafengehen ist schlecht

Und was sagt ein österreichischer Schlafforscher dazu? Kinderarzt Osman Ipsiroglu hat im Auftrag des Bildungsministeriums die Schlafgewohnheiten 11- bis 14-jähriger Schüler erhoben. Demnach müssen in Wien und Umgebung 24 Prozent der Kinder schon um sechs Uhr aufstehen, weitere 30 Prozent werden zwischen 6 und 6.30 Uhr geweckt, 41 Prozent zwischen 6.30 und sieben Uhr. Bei Verhaltens- und Konzentrationsstörungen werde zu wenig darauf geachtet, ob die Schlafqualität der Kinder in Ordnung ist, sagt er.

PC-Spiele und Fernsehen kurz vor dem Einschlafen hält er für schlecht. Eine generelle Empfehlung für einen späteren Schulbeginn gibt er nicht. Allerdings verweist Ipsiroglu auf Studien, wonach viele Kinder zwischen sechs und halbsieben noch einmal in eine Tiefschlafphase fallen. Genau dann läutet der Wecker. (Martina Salomon/DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2003)