Sexappeal hat die Sache wohl nicht einmal für die ÖVP. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wird eine gute Marketingstrategie brauchen, um der Bevölkerung zu erklären, warum doch wieder nur Schwarz-Blau herausschaut, obwohl er selbst die Erwartungen an eine neue Koalition hochgeschraubt hat.

Aber alle anderen Regierungsvarianten sind im Moment unrealistisch. Wobei Schüssel nicht nur nach außen, sondern auch innerparteilich die Notwendigkeit einer derart problematischen Koalition erklären muss.

Denn in den Ländern (und bei den Sozialpartnern), wo Rot und Schwarz meist gemeinsam am Regierungstisch sitzen, ist die atmosphärische Störung zwischen den Großparteien nicht ganz nachvollziehbar. Als Erster hat bereits Landeshauptmann Erwin Pröll gegen die FPÖ gepoltert. Derzeit ist das jedoch reine Taktik. Am 30. März wird in Niederösterreich gewählt, und Pröll kann keinerlei Interesse haben, die in seinem Land besonders kaputten Blauen wieder salonfähig zu machen.

Ansonsten herrscht nach wie vor Parteidisziplin in der Kanzlerpartei - noch. Die Lust auf die Mühsal einer schwarz-blauen Koalition ist aber eng begrenzt und die Angst vor einem neuerlichen Schiffbruch groß. Voraussichtlich bis zum 26. Februar - dann ist die nächste Nationalratssitzung - wird die schwarz-blaue Koalition stehen. Gesundheitsstaatssekretär Waneck hat bereits sein Abschiedsessen mit Medienvertretern abgesagt (trotzdem ist nicht sicher, dass er politisch überlebt).

Die ÖVP hat zuletzt alles auf die grüne Karte gesetzt - und hätte das Budget Spielraum für mehr grüne Projekte gelassen, wäre die Chance auf Verwirklichung viel höher gewesen. Die Realität hat die Gesprächsteams eingeholt. Das Projekt galt in weiten Teilen der Ökopartei als Sündenfall und bei vielen Schwarzen abseits der Verhandler als reine intellektuelle Spinnerei.

Nach der Absage an das schwarz-grüne "Experiment" werden im Parlament somit wieder die "natürlichen" Kräfte hergestellt: ein regierender Rechtsblock gegen einen oppositionellen Linksblock. Der SPÖ kann eine schwarz-blaue Regierung nur recht sein: Als Opposition tut man sich mit einem klaren Feindbild leichter. Und in den nächsten Jahren werden keine Zuckerln zu verteilen sein.

In beiden Großparteien schätzt man die Chance auf eine große Koalition als gering ein. Wie schlecht man sich versteht, wurde in der ORF-Diskussionssendung "Offen gesagt" Sonntagabend anschaulich vorgeführt. Da krachten Josef Cap und Maria Rauch-Kallat unversöhnlich aufeinander.

Die Wunden der letzten zweieinhalb Jahre sind auf beiden Seiten nicht verheilt. Man fühlt sich wechselseitig schlecht behandelt. Die SPÖ scheint überdies wenig Lust zu verspüren, in einer wirtschaftspolitisch schwierigen Zeit als Juniorpartner Grauslichkeiten verkünden zu müssen, und hat ihre Wahlkampfrhetorik beibehalten. Der Bundeskanzler wiederum ist offenbar so stur überzeugt von der Richtigkeit seines Weges (der vom Wähler zugegebenermaßen auch honoriert wurde), dass er davon keinen Millimeter abweichen will.

Doch wie behübscht sich Schüssel jetzt die als einziger realistischer Partner übrig gebliebenen Blauen? Dort herrscht ein Machtkampf zwischen Herbert Haupt und Thomas Prinzhorn, auch aus Kärnten sind jederzeit neue Eskapaden zu erwarten.

Viele Schwarze setzen ihre Hoffnung daher auf Neuzuzug aus Vorarlberg: Der dortige Landeshauptmannstellvertreter Hubert Gorbach gilt als ruhiger, konsensorientierter Politiker. Trotzdem ist eine "FPÖ neu" weit und breit nicht in Sicht. Dennoch sind die Blauen noch am ehesten bereit, den schwarzen Kurs mitzutragen.

Die Sehnsucht der ÖVP nach einem liberaleren Image, nach mehr internationaler (sowie medialer) Reputation und weniger Energieaufwand, die Kooperation mit einem anrüchigen Partner verteidigen zu müssen, war groß. Nach gegenwärtigem Stand wird sie jedoch nicht erfüllt werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2003)