Im Kampf gegen die organisierte Kriminalität ist verdeckten Ermittlern auch die Gründung von Scheinfirmen erlaubt. Doch manche so gewonnenen Beweise erweisen sich im Strafprozess dann als nicht zulässig. Eine Reform der Strafprozessordnung ist überfällig.

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Wien - Es war wie im Film: Tarek Z. hatte nach einem Hofburgball eine rauschende Nacht in einer Bar verbracht und erinnerte sich nur mehr, dass er mehrfach von Unbekannten angesprochen worden war, die er für Angestellte des Lokals hielt. Die Männer wollten bei ihm Drogen kaufen und fragten, ob er Tänzerinnen aus dem Osten "beschaffen" könnte. Tags darauf war das Lokal verschwunden, mit ihm die finsteren Gestalten und das Personal - und Z. wurde zur Einvernahme über seine Aussagen zur Polizei geladen wurde. Dabei erfuhr Z., dass die Bar eine Scheinfirma war und dass er mit verdeckten Ermittlern gesprochen und ihnen gegenüber geprahlt hatte, ein ganz großer "Fisch" im Milieu zu sein. Da gegen Z. keine weiteren Verdachtsmomente bestanden, wurden die Ermittlungen eingestellt.

Zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität enthält das Sicherheitspolizeigesetz weit gehende Ermächtigungen. Verdeckte Ermittler dürfen sich mit falschen Identitäten und Täuschungsmanövern wie der Gründung von Scheinfirmen in ein Netzwerk der organisierten Kriminalität einschleusen lassen, um Straftäter zur Strecke zu bringen. Damit solche Ermittlungen auch realistisch und erfolgreich durchführbar sind, sieht das Gesetz eine Fülle von Details vor, die bis hin zur Verpflichtung von Behörden zur Ausstellung falscher Urkunden ("Legende" nach § 54a SPG) reichen.

Dies führt zu der prekären Situation, dass der scheinbare Kapitalverbrecher völlig zu Recht einen angeblich gefälschten Diplomatenpass auf einen Fantasienamen besitzen und auch mit sonstigen falschen Dokumenten (z. B. Waffen- oder Gewerbescheinen) auftrumpfen kann. Die Sache hat allerdings einen Haken. Denn während das Polizeirecht weit gehende Ermächtigungen enthält, dürfen im Strafprozess bestimmte Beweise nicht verwertet werden. Grundsätzlich stehen vor allem das in der Strafprozessordnung (StPO) verankerte Verbot des "Agent Provocateur" und das Agieren verdeckter Ermittler in einem Spannungsverhältnis zu einem fairen Verfahren bei strafrechtlichen Anklagen.

Anstiftung verboten

Selbst in scheinbar klaren Fällen, in denen verdeckte Ermittlungen zulässig sind - wie bei der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität -, können die Beweise "platzen". So hatte der Portugiese Francisco Teixeira de Castro zunächst deutlich weniger Glück als Tarek Z. Er kam über einen Mittelsmann in die Fänge der verdeckten Ermittler. Dieser Bekannte hatte gegenüber zwei vermeintlichen Dealern, die sich als Kriminalbeamte entpuppten, angegeben, dass Herr de Castro Heroin beschaffen könnte. Fatalerweise erklärte sich dieser zum Handel bereit, brachte das Suchtgift in seine Wohnung, wo er bei der Übergabe verhaftet wurde. Während der Mittelsmann nur eine kleine Geldstrafe erhielt, wurde de Castro zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

De Castro wandte sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und gewann das Verfahren gegen Portugal. Denn in seinem Fall gingen die Fahnder über ein passives Verhalten hinaus. Sie stifteten ihn, wenn auch indirekt, zur Straftat an; das öffentliche Interesse kann aber die Verwertung von Beweisen, die auf polizeiliche Anstiftung zurückgehen, nicht rechtfertigen. Der Angeklagte war zudem nicht vorbestraft. Der EGMR ging davon aus, dass die kriminelle Handlung erst von den Ermittlern provoziert wurde, was die Fairness des Verfahrens unheilbar beeinträchtigt habe (ÖJZ 1999/MRK 14, S. 434).

Der Einsatz von verdeckten Ermittlern darf nur eingeschränkt erfolgen und muss von Rechtsschutzmaßnahmen begleitet sein. Das Recht auf ein faires Verfahren und eine faire Rechtspflege darf der Zweckmäßigkeit und dem schnellen Fahndungserfolg nicht geopfert werden. Das alles bedeutet aber nicht, dass moderne Ermittlungsmethoden keine gültigen Beweise für einen fairen Strafprozess liefern können. Der EGMR beurteilt nur die Fairness des Verfahrens in seiner Gesamtheit. Wie der Gerichtshof aber schon mehrfach betont hat (z. B. Fall Lüdi/CH ÖJZ 1992/ MRK 39, S. 843), sind auch anonyme Informanten und die (richterliche) Beauftragung von verdeckten Fahndern nach nationalem Recht zulässig. Die Zulässigkeit der Beweisverwertung muss der Gesetzgeber menschenrechtskonform selbst regeln.

Zur besseren Verwertung verdeckter Ermittlungen, aber auch zum Schutz der Angeklagten ist daher in Österreich eine StPO-Reform erforderlich. Zu den unerledigten Vorhaben der scheidenden Regierung zählt die Reform des Vorverfahrens im Strafprozess. Die Beweisverwertung von verdeckten Ermittlern ist dabei ein rechtsstaatlich besonders sensibler Punkt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 18.2.2003)