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Umberto Bossi: "Sage nichts - sonst kracht's."

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Erstmals in der Geschichte der Republik hatten alle 23 Gewerkschaften zum Protest aufgerufen.

Foto: derStandard.at/Mumelter

Berlusconi will sich diesmal nicht zurückpfeifen lassen: "Niemand kann mich aufhalten."

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Fingerabdrücke in allen Ausweisen und von den Roma sowieso, patrouillierende Soldaten in Städten - in einer Vertrauensabstimmung hat die Abgeordnetenkammer das umstrittene Maßnahmenbündel verabschiedet, mit dem Ministerpräsident Silvio Berlusconi dem Wunsch vieler Italiener nach mehr Sicherheit Rechnung tragen will. Bizarr genug, dass am Donnerstag ausgerechnet jene gegen die Regierung demonstrierten, denen der Schutz der Bürger obliegt.

Tausende aufgebrachter Polizisten protestierten vor dem Parlament und den Präfekturen des Landes gegen das Gesetz, das nach ihrer Überzeugung genau das Gegenteil bewirkt - nicht mehr, sondern weniger Sicherheit.

Erstmals in der Geschichte der Republik hatten alle 23 Gewerkschaften zum Protest aufgerufen - von der Polizei über die Carabinieri bis zu Forstwache und Feuerwehr. Die Budgetkürzung von 3,2 Milliarden Euro werde zu einem Abbau von 40.000 Beamten führen, erregte sich Felice Romano von der Polizeigewerkschaft Siulp: "Schon jetzt fehlt uns Geld für Betankung und Wartung der Streifenwagen, für Uniformen und kugelsichere Westen."

Die Polizeigewerkschafter kritisierten den Einsatz des Heeres in den Städten als "wirkungslose Scheinmaßnahme" und verwiesen auf die "offensichtlichen Widersprüche" im Sicherheitspaket. Während die Regierung illegale Einwanderung zur Straftat erkläre, kürze sie gleichzeitig die Geldmittel zum Bau neuer Gefängnisse - "ein purer Nonsens" .

Berlusconi begnügte sich gegenüber Journalisten mit der lakonischen Feststellung: "Es gibt keine Kürzungen." Auch den eskalierenden Konflikt mit der Lega Nord wertete der Regierungschef als "Erfindung" . Die von Berlusconi angekündigte "drastische Reform der Justiz" stößt in der Lega auf heftigen Widerstand. Föderalismus und Verfassungsreform hätten Vorrang und müssten im Herbst vom Parlament diskutiert werden. Lega-Chef Umberto Bossi wollte zum Konflikt nicht Stellung beziehen: "Besser, ich sage heute nichts - sonst kracht's." Berlusconi will sich diesmal nicht zurückpfeifen lassen: "Niemand kann mich aufhalten." Die Reform sei eine "nationale Priorität" .

Angesichts der dramatischen Wirtschaftslage Italiens holte sich der Premier Rat von wichtigen Unternehmern, darunter Gilberto Benetton und Fiat-Chef Sergio Marchionne. Kurz zuvor hatte die Nationalbank in einer schonungslosen Analyse ein düsteres Bild gezeichnet. Italien sei "ein Land im Stillstand" . Exporte, Industrieproduktion und Investitionen seien rückläufig. Die Inflation habe mit vier Prozent den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht, die Kaufkraft sinke weiter. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 18.7.2008)