St. Pölten - Nach dem Aus für die Glanzstoff in St. Pölten mit Jahresende geht Landeshauptmann Erwin Pröll mit der Politik der Landeshauptstadt hart ins Gericht, die ihr Industrieflaggschiff "vertrieben" habe. Stadtpolitiker und die Rathausverwaltung hätten sich "äußerst tollpatschig verhalten", sagte er in einem Interview mit dem "Kurier" (Niederösterreich-Ausgabe).

Die Glanzstoff hat am Freitag 327 Mitarbeiter beim AMS zur Kündigung angemeldet. Vom Auslaufen der Produktion in der Landeshauptstadt mit Ende 2008 sind laut der Geschäftsführung etwa 290 Beschäftigte betroffen. St. Pölten werde Holding-Sitz der Glanzstoff-Gruppe bleiben, was den Erhalt von zehn bis 15 Arbeitsplätzen bedeute.

Im "Kurier" übte Pröll am Sonntag insbesondere Kritik an Bürgermeister Matthias Stadler (S), der sich nach dem Brand in der Glanzstoff im Jänner, bei dem eine Abluftanlage zerstört wurde, "viel zu wenig um das Verfahren gekümmert" habe, "um den Betrieb flott zu bekommen". Auch sei der Magistrat mit dem Verfahren überfordert gewesen.

Glanzstoff-Eigentümer Cornelius Grupp seien von der Stadt in Form "neuer Auflagen ständig Prügel vor die Füße" geworfen worden, so Pröll weiter. Grupp sei kein Mann, "der leichtfertig einen Standort im Stich lässt".

Besorgt zeigt sich der Landeshauptmann, was die Folgen anbelangt, weil nicht nur die Glanzstoff-Mitarbeiter auf der Straße stünden. In Zulieferbetrieben seien weitere 1.000 Jobs gefährdet. Dazu würde die Stadt jährlich eine Mio. Euro an Abgaben verlieren und die Kaufkraft in St. Pölten um neun Mio. Euro - so viel machten die Netto-Löhne jährlich aus - sinken.

LHStv. Josef Leitner betonte am Wochenende in einer Aussendung, dass er "in ständigem Kontakt mit dem Betriebsrat" der Glanzstoff stehe. Die Arbeitnehmervertretung strebe mit der Geschäftsführung, dem ÖGB und der Arbeiterkammer die Ausarbeitung eines Sozialplans an. Leitner selbst habe mit AMS-Chef Karl Fakler "erste Gespräche über die Installierung einer Arbeitsstiftung geführt". Es gehe nun darum, den Mitarbeitern der Glanzstoff "jede mögliche Unterstützung zukommen" zu lassen.

St. Pöltens Bürgermeister weist Prölls Kritik zurück

 

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler hat noch am Sonntag die von Pröll an ihm geübte Kritik zurückgewiesen. Es sei "rasch und professionell gehandelt" worden, selbst der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes NÖ habe bestätigt, dass für die Wiederaufnahme des Betriebes der Glanzstoff nach dem Brand seitens der Stadt und des Unternehmens "innovative Lösungsansätze gefunden wurden".

Das Verfahren für die Wiederaufnahme sei "in kürzester Zeit abgewickelt" worden, "es waren Sachverständige des Landes eingebunden, deren Gutachten eine entscheidende Grundlage darstellten", so Stadler. Sowohl die Wiederaufnahme der Produktion als auch die nunmehrige Schließung seien letztlich "Entscheidungen des Managements" gewesen, das nach dem UVS-Entscheid, wonach die gültigen Abluftgrenzwerte für einen künftigen Vollbetrieb nicht erhöht werden dürften, keine wirtschaftlichen Perspektiven mehr gesehen habe. Die gesetzlichen Bestimmungen gerade im Bereich der Abluft, des Wasserrechts und aller anderen relevanten Fachbereiche würden "nicht vom Bürgermeister, sondern von der Republik Österreich und dem Land Niederösterreich vorgegeben".

Selbst die Firmenleitung der Glanzstoff habe im Zusammenhang mit dem Schließungsbeschluss "keine Schuldzuweisungen" ausgesprochen, erinnerte Stadler. Das sei "ebenfalls professionell" - "im Gegensatz zu dem politischen Geplänkel, das niemandem hilft", fügte der Bürgermeister hinzu. Die Stadt stehe nicht nur mit dem AMS, der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat im Kontakt, sondern werde auch selbst "nach besten Möglichkeiten versuchen, Glanzstoffmitarbeiter aufzunehmen". Die regionale Wirtschaft sei ebenfalls involviert, "um neue Arbeitsmöglichkeiten für die Betroffenen zu schaffen". (APA)