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Eng beisammen: Indiens Singh und US-Präsident Bush.

Foto: REUTERS/Jim Young

Er weiß, dass es knapp werden kann. Am Dienstag wird Indiens Regierungschef Manmohan Singh im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Er riskiert seinen Sturz, um den zivilen Nuklearpakt mit den USA zu retten, den die Kommunisten blockieren. Bei dem Konflikt geht es aber nicht um Atomkraft - es geht um Indiens Verhältnis zu den USA und die Machtprobe zwischen zwei Männern.

Seit Tagen kämpfen Regierung und Opposition um jede Stimme. Selbst aus dem Knast und vom Krankenbett sollen Abgeordnete nach Delhi gekarrt werden. Mindestens 271 Stimmen braucht Singh. Aber nur 259 gelten bisher als sicher. Das Zünglein an der Waage sind die kleineren Parteien und Unabhängigen. Viele Abgeordnete wechseln fast täglich die Seite, um ihre Stimme meistbietend zu verhökern - für Posten und politische Zusagen. Auch Geld soll fließen. Angeblich wird eine Stimme derzeit mit umgerechnet bis zu 3,7 Millionen Euro gehandelt.

Bei der Wahl ihrer Verbündeten sind beide Seiten nicht zimperlich, auch die Kommunisten nicht. Sie werden Seite an Seite mit den Hindunationalisten der BJP gegen Singh stimmen. Das empört die Muslime in der CPI-M, Indiens größter kommunistischer Partei. Deren Generalsekretär Prakash Karat musste nach Protesten Auftritte in West-Bengalen, der Hochburg seiner Partei, absagen.

Das Votum gerät immer mehr zu einem persönliches Duell zwischen Karat und Singh, zwischen dem alten und dem neuen Indien. Singh war es, der als Finanzminister das 1,1 Milliarden Einwohner- Land in den 90er-Jahren wirtschaftlich öffnete. Die Früchte erntet Indien heute. Karat, einst ein Bewunderer von Erich Honecker, propagiert dagegen weiter die staatsgelenkte Planwirtschaft und verdammt Privatisierungen.

Singh musste sich in den vergangenen vier Jahren immer wieder Karat beugen. Das lag an den Umständen: Die von der Kongresspartei geführte Regierungskoalition verfügt nicht über eine eigene Mehrheit. Sie brauchte die 59 Stimmen der Kommunisten, die von außen mitregierten. Um die Kommunisten nicht zu verprellen, opferte Kongresschefin Sonia Gandhi wichtige Reformvorhaben.

Der Nukleardeal gilt als Singhs größer Erfolg. Das Land, das bisher als atomarer Pariah geächtet wurde, steigt damit in die illustre Weltliga der Atommächte auf. Das ist nicht nur ein Statusgewinn. Obgleich Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat, dürfte Delhi wieder Uran und Atomtechnik aus dem Ausland kaufen. Der Deal schweißt außerdem die USA und Indien zusammen. Das passt den Kommunisten nicht. Der Vertrag mache Indien zum "Knecht" des "US-Imperialismus" , wetterte Karat. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2008)