Der kleine Emil wird in ein paar Wochen zur Welt kommen - mit einem offenen Rücken. Mittels einer Klage wollen seine Eltern verhindern, dass der Staat ihn als "Schadensfall" bezeichnen darf - Jutta Berger

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Bregenz - Emil Karg ist noch nicht auf der Welt und beschäftigt bereits die Gerichte. Sein Kurator Paul Sutterlüty wird für Emil die Republik wegen Verletzung der Ehre und Menschenwürde klagen. Denn Emil ist, wie bei Schwangerschaftsuntersuchungen diagnostiziert wurde, behindert.

Antwort auf OGH-Urteil

Emil wird, so der betreuende Gynäkologe Peter Schwärzler, per Gesetz diskriminiert: "Laut jüngster Entscheidung des Obersten Gerichtshofes kann das Leben eines Kindes als Ganzes schadensersatzfähig gemacht werden." Es fehle die gesellschaftliche Akzeptanz für ungeborene Menschen mit Behinderung. Die Feststellungsklage ist eine Antwort auf ein Urteil des OGH, das ein Kärntner Spital dazu verurteilte, die gesamten Lebenshaltungskosten für ein Kind zu tragen, dessen Behinderung bei pränatalen Untersuchungen nicht erkannt worden war. Weil weder Gesetzgebung noch Gesellschaft in Österreich Rahmenbedingungen bieten, die Ansprüche von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihrer Angehörigen regeln, muss das Schadenersatzrecht herhalten. Ein krankes Kind wird zum Schadensfall.

Klage in Österreich einmalig

Wie der Kärntner Bub ist auch Emil an Spina bifida, umgangssprachlich oft als „offener Rücken" bezeichnet, erkrankt. Welche Form dieser Neuralrohrfehlbildung Emil hat, wird man erst nach der Geburt wissen. Für seine Eltern Sabine und Andreas Karg steht jedoch fest, dass Emil „kein Schaden ist". In einem intensiven Prozess haben sich Sabine und Andreas Karg für das Kind entschieden. In dieser schwierigen Situation wurden die Eltern einer gesunden Tochter erstmals damit konfrontiert, „wie die Gesellschaft ungeborenen Menschen mit Behinderung gegenübersteht". Die Klage, die in Österreich einmalig ist, soll nun dazu beitragen, die rechtliche Stellung zu verbessern.

Rechte ungeborener Behinderter

Emils Eltern wollen weder Geld noch mediale Aufmerksamkeit für sich selbst. Es gehe ihnen um gesellschaftliche Anerkennung der Rechte ungeborener Behinderter. Rechtsanwalt Paul Sutterlüty: "Wir möchten erreichen, dass das Gericht feststellt, dass Emil durch das Schadenersatzrecht in seiner Ehre und Menschenwürde verletzt ist." Dadurch soll eine rechtliche Klarstellung zwingend werden. Bislang sei die Entscheidung vom jeweiligen Senat abhängig gewesen, was für alle Beteiligten unbefriedigend sei. Prinzipiell soll Schadenersatz möglich sein, sagt der Jurist, „aber nur für den Mehraufwand, nicht für die gesamten Lebenskosten". Keinesfalls gehe es bei der Klage darum, die Fristenlösung infrage zu stellen. Sutterlüty: "Weder die eugenische Indikation noch die Fristenlösung werden von dieser Klage berührt."

Alle Parteien unterstützen

Mit der Bestellung von Sutterlüty zum Kurator durch das Bezirksgericht Bregenz wurde vergangenen Donnerstag für Emil ein erster Etappensieg errungen. Die nächste Hürde ist die Genehmigung der Feststellungsklage durch das Pflegschaftsgericht. Eine Richterin muss nun prüfen, ob Emil aus der Klage ein Nachteil entstehen könnte. Erst nach positivem Ausgang dieser Prüfung kann die Feststellungsklage eingebracht werden.

Unterstützt wird Emils Klage auch von allen vier Landtagsparteien. In einem gemeinsamen Antrag, der nächste Woche eingebracht wird, wird die Bundesregierung aufgefordert, für rechtliche Klarstellung zu sorgen. Der Unterhaltsaufwand für ein unerwünschtes Kind - egal ob mit oder ohne Behinderung - solle grundsätzlich nicht schadensersatzfähig sein, „sondern nur insoweit, als ein außerordentlicher Mehraufwand entsteht". (Jutta Berger/DER STANDARD Printausgabe 21.7.2008)