In Teheran scheint die Botschaft angekommen zu sein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit militärisch Ernst wird, wenn der Iran mit seinem Atomprogramm fortfährt. Zumindest gibt es aus Teheran interessante, ja so bis dahin noch nicht gehörte Äußerungen und Signale, die auf eine verstärkte Bereitschaft zu ernsthaften Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und regionale Sicherheitsfragen schließen lassen. Und Amerikas Entscheidung, den Unterstaatssekretär William Burns zu einer Sitzung mit dem oberstem Atomunterhändler des Iran zu schicken, legte nahe, dass diese Signale ernst genommen werden.

Zwar unterliegt die iranische Führung noch immer der Fehleinschätzung, dass die israelischen Drohungen Ausdruck der innenpolitischen Probleme der Regierung Olmert seien, was schlicht falsch ist. Die Regierung Olmert hat große Probleme, aber diese sind nicht die Ursache für die Zuspitzung der Situation zwischen Israel und dem Iran.

Denn in der Frage einer möglichen iranischen Nuklearbewaffnung und regionalen Hegemonie des Iran gib es in Israel einen überparteilichen Konsens von links bis rechts. Dieser Konsens besagt, dass eine mögliche iranische Nuklearbewaffnung mit allen Mitteln rechtzeitig zu verhindern ist, wenn es nicht zuvor zu einer diplomatischen Lösung kommt. Und in Saudi-Arabien und einigen anderen arabischen Staaten sieht man dies hinter verschlossenen Türen genauso.

Positives Einlenken

Vor dem Treffen hatte es den Anschein, als ob in Teheran mehr Realismus eingekehrt sei als in der Vergangenheit. Das jüngste Angebot der 5+1 (die fünf ständi- gen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland) wurde in Teheran begrüßt. Es sieht neben einer weitreichenden Zusammenarbeit in politischen und Wirtschaftsfragen auch eine Zusammenarbeit mit dem Iran in nuklearen Fragen vor, bis hin zum Bau und zur Lieferung von neuesten Leichtwasserreaktoren und dem iranischen Zugang zu nuklearer Forschung und Entwicklung. Voraussetzung ist eine verhandelte Lösung.

Wirklich neu aber war, dass die positive Reaktion des Iran auch den Verfahrensvorschlag der 5+1 mit einschloss. In der Vorverhandlungsphase bedeutet dies den Verzicht auf die Installierung neuer Zentrifugen, während die 5+1 parallel dazu im UN-Sicherheitsrat keine neuen Sanktionen verlangen werden.

Zu Beginn der weiteren Verhandlungsphase soll dann seitens des Iran eine sechsmonatige Unterbrechung der Uran-Anreicherung und aller damit verbundenen Aktivitäten unter der Kontrolle der internationalen Atomenergieagentur erfolgen (eine zeitlich befristete Unterbrechung der Uran-Anreicherung war über vier Jahre hinweg kein Thema für die iranische Regierung gewesen!), während der UN-Sicherheitsrat die Befassung mit dem iranischen Atomprogramm für diese Zeitdauer aussetzen wird.

Ziel der Verhandlungen soll eine umfassende Vereinbarung zwischen dem Iran und den 5+1 sein, die sowohl den Nuklearkonflikt als auch die regionalen Sicherheitsfragen (Irak, Nahostkonflikt, Libanon, Persischer Golf, Afghanistan) lösen und eine umfassende internationale und regionale Zusammenarbeit eröffnen soll.

Keine Lösung ohne Israel

Darüber hinaus kommen aus dem Iran Signale, dass man, nachdem man die Uran-Anreicherung technisch beherrsche, sich durchaus vorstellen könne, in Zukunft die Anreicherung in einem Drittland und in Zusammenarbeit mit dem Westen in einem gemeinsamen Konsortium fortzusetzen. Ein ähnlicher Vorschlag Russlands war noch vor einiger Zeit brüsk zurückgewiesen worden.

Dass es zudem keine umfassende Lösung in der Region ohne Israel geben kann, scheint man in Teheran ebenfalls begriffen zu haben. Zwar ist man mitnichten bereit, eine israelische Hegemonie zu akzeptieren, aber die Tonlage beginnt sich auch gegenüber Israel zu verändern. Der wüste Antisemitismus eines Präsidenten Ahmadi-Nejad wird neuerdings indirekt und doch ziemlich unverblümt und öffentlich von einem der engsten Vertrauten des obersten Religionsführers, dem früheren Außenminister Welajati, kritisiert. Und iranische Vertreter signalisieren, dass man um die Bedeutung Israels für eine umfassende Lösung wisse und sich vorstellen könnte, auch mit Israel ins Geschäft zu kommen.

Wie gesagt, dies sind neue Töne aus Teheran, oder zumindest hat man diese in den Jahren seit dem Amtsantritt Präsident Ahmadi-Nejads nicht mehr gehört. Meint es der Iran wirklich ernst? Oder ist es schlicht die alte Hinhaltetaktik? Will Teheran nur ein weiteres Mal Zeit kaufen, um diesmal über die amerikanischen Präsidentschaftswahlen hinwegzukommen? Diese entscheidende Frage kann allerdings nur im Praxistest zukünftiger Verhandlungen beantwortet werden.

Ziel: "Grand Bargain"

Sollte es der Iran ernst meinen, so wird es tatsächlich um nichts Geringeres gehen als um einen großen regionalen Interessenausgleich zwischen dem Iran und den USA, Europa und die regionalen Verbündeten der USA eingeschlossen, ein sogenannter "Grand Bargain" also.

Sollte man in Teheran aber lediglich auf Zeit spielen, so wäre das kurzsichtig und töricht. Denn der Konflikt und damit die Gefahr einer militärischen Konfrontation würden auch unter einer neuen US-amerikanischen Regierung nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil käme diese Konfrontation sehr schnell und mit weitaus größerer Gefährlichkeit im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen zurück.

Weder ein künftiger US-Präsident John McCain noch ein Barack Obama werden in der Frage der regionalen Hegemonie des Iran und seines Nuklearprogramms eine weichere Haltung einnehmen als die gegenwärtige amerikanische Regierung. Falls eine diplomatische Lösung scheitern sollte, werden sie eher härter reagieren. Die sich jetzt abzeichnende Chance für eine diplomatische Lösung muss daher unbedingt ausgetestet werden.

Sollte in der obersten Führung in Teheran die Einsicht um sich gegriffen haben, dass es wesentlich vernünftiger ist und mehr den Interessen des Landes entspricht, die außenpolitischen Erfolge der letzten Jahre und die Existenz des Regimes zu konsolidieren und nicht alles in einer militärischen Konfrontation mit unabsehbaren Folgen zu riskieren, dann besteht eine echte Chance für eine diplomatische Lösung.

Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. In diesem deutschen Sprichwort steckt sehr viel Klugheit. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2008)